Grady, Missori, 1985: Der 15-jährige Sam hat es nicht leicht. Er hat keine Freunde und seine engste Verbündete ist sterbenskrank. Benedict Wells neuer Roman Hard Land ist eine Ode an die Jugend und eine Hommage and die Texte, die sich ihrer widmen. Ein schöner Text über einen aufregenden Sommer, über den Aufbruch eines Jungen, der sich aufmacht, ein Mann zu werden.
Berlin im Rausch: Die Linie zwischen Tag und Nacht von Roland Schimmelpfennig
“Alle waren hellwach und gleichzeitig todmüde”: Tommy feiert zusammen mit ein paar Partybekanntschaften am 1. Mai in Berlin. Man ist ausgelassen, seit Tagen unterwegs, voller Drogen. Da sieht er im Landwehrkanal eine junge Frau in einem Hochzeitskleid treiben. Sie ist tot. Roland Schimmelpfennigs Die Linie zwischen Tag und Nacht nimmt den Leser mit in den Berliner Partyuntergrund, zu Rausch und Ruin, Ravern und Dealern.
Der Fuchs der hat das Herz gestohlen: Restlöcher von Lena Müller
Irgendwie denkt man bei einem Titel wie Restlöcher doch zwangsläufig an vom Kohleabbau gerissene Furchen, offene Wunden in der Landschaft. Man denkt an strukturschwache Regionen, an Wandel. Doch Lena Müllers Debütroman bricht diese Erwartungen, die Löcher sind eher in den Menschen zu finden, die sie beschreibt: Es ist eine Erzählung über sehnende Menschen und die Widersprüchlichkeiten, die in ihnen wohnen.
Ein Mönch schmollt: Aus der Mitte des Sees von Moritz Heger
Wie endgültig und zwingend sind die Lebensentscheidungen, die wir treffen? Es scheint jedenfalls nichts entschlossener und endgültiger, als sich in jungen Jahren für ein Leben als Mönch in einer Benediktinerabtei zu entscheiden. So haben es jedoch Lukas und sein bester Freund Andreas entschlossen, bis letzterer nach sechzehn Jahren dann doch etwas anderes wollte. Und so ist Aus der Mitte des Sees von Moritz Heger der Bericht eines gekränkten Mönchs, der durch Andreas’ Weggang nun selbst ins Zaudern kommt.
Schlechte Menschen: Ameisenmonarchie von Romina Pleschko
Romina Pleschkos Debütroman Ameisenmonarchie nimmt uns mit in ein Wiener Wohnhaus. Der satirische Ensemble-Roman begleitet episodenhaft die Leben von fünf Bewohnern des Hauses. Der Blick hinter die Tür entblättert die banalen Leben durchweg unsympathischer Menschen. Es offenbart sich ein ziemlich zynisches Menschenbild, das den Menschenekel glücklicherweise mit bissigem Humor auffängt.
“Einen Kern, den hast du nicht?”: Kurzes Buch über Tobias von Jakob Nolte
Kurzes Buch über Tobias von Jakob Nolte ist ein Roman, über den man viele Worte verlieren könnte. Es ist die fiktive Biografie eines ganzen Lebens, erzählt auf 231 Seiten in achtundvierzig Kapiteln, fragmentarisch und detailversessen zugleich. Es ist ein wundersames wie wunderbares Buch, in Inhalt und Form so unberechenbar rätselhaft, so witzig und traurig wie das Leben selbst.
Schlammige Gewässer: Missouri von Christine Wunnicke
Das klingt doch nach einer explosiven Mischung: In Missouri lässt Christine Wunnicke einen englischen Dichter auf einen amerikanischen Revolverhelden treffen. Die knappe Erzählung begibt sich auf Brokeback Mountain-Terrain, ohne das Melodrama, dafür mit viel lakonischem Witz. Leser können sich auf eine kurzweilige Tour de Force durch einen wirklich wilden Westen freuen.
Dies Land ist nicht dein Land: How Much of These Hills Is Gold von C Pam Zhang
Der amerikanische Westen ist heute eher der Ort, an dem Technologie-Träume wahr werden, mit an den Horizont reichenden Großstädten, zusammengehalten mit einem endlosen Gewirr aus Highways. Doch parallel zu diesem hochtechnologisierten Westen existiert noch der mythische Westen, eine Erzählung, die essentiell ist für Amerikas Verständnis von sich selbst. How Much of These Hills Is Gold von C Pam Zhang erzählt die Geschichte vom großen Goldrausch aus anderen Augen und bereichert den Corpus revisionistischer Western um eine Perspektive, die in die Geschichtsschreibung kaum bzw. spät aufgenommen wurde.
Lynchburg Lemonade und Erdbeer Daiquiri: High Times for Loners von BRTHR
Das Stuttgarter Duo BRTHR hat mir im zurückliegenden Jahr das einzige wirkliche Konzerterlebnis geschenkt, als die beiden im Rahmen des Palais Sommer spielten. Beinah psychedelisch klingende Americana Nummern schallten in den sommerlichen Himmel, ein eigener Sound, der sofort gefangen nahm. Mit High Times for Loners erschien Ende letzten Jahres das dritte Album, das einen abwechslungsreicheren, volleren Klang zeigt, als die ersten beiden, durch träumerische Langsamkeit gekennzeichneten LPs.
Mit Gammelhai und Cowboyhut: Kalmann von Joachim B. Schmidt
Ein etwas anderer Krimi in einem etwas anderen Land: Kalmann ist der selbsternannte Sheriff von Raufarhövn, einem kleinen Kaff irgendwo in Island. Als Robert McKenzie, so etwas wie der Wirtschaftsmogul des sterbenden Fischerdorfes, spurlos verschwindet, kommt Aufregung ins verschlafene und klirrend kalte Örtchen. Ungewollt im Zentrum des Trubels steht Kalmann – der uns auf seine ganz eigene Art der Ortsbegehung mitnimmt.