Arcus heißt eigentlich Marcus und ist der jüngste Spross der reichsten Familie Österreichs. Er ist auch ihr schwarzes Schaf. Dem Reichtum hat er entsagt, um sich durchaus erfolgreich als Performance-Künstler durchzuschlagen. Nun, da alle Familienmitglieder verstorben sind, muss er sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass er der reichste Mann Österreichs ist. Es scheint ihn schwer zu belasten. Der Arme! Norbert Maria Krölls Roman ist eine pfiffige Satire über Familie und Kunst, in deren Zentrum ein Protagonist ist, dem man gerne mal eine Ohrfeige verpassen würde.
Lebendig begraben: Mein drittes Leben von Daniela Krien
“Nichts ist gut, absolut nichts” (S. 192) möchte Linda einem Kellner entgegenzischen, als dieser diese schlimmsten aller Fragen stellt: “Alles gut?” Wann ist schon einmal alles, wirklich alles gut? Im Fall von Linda ist alles sogar ziemlich schlecht. Daniela Kriens neuer Roman Mein drittes Leben ist ein Testament an die Unzugänglichkeit der Trauer und Verzweiflung anderer Menschen. Er ist das Portrait eines schwierigen, langwierigen Heilungsprozesses, an dessen Ende wenigstens ein Schimmer Hoffnung glimmt.
Das große Unbehagen: Fast wie ein Bruder von Alain Claude Sulzer
Dass sich männliche Freunde auch Bruder oder, hust, Bro nennen, soll auf ein besonders enges aber natürlich nicht-schwules Verhältnis hinweisen. Während Freunde sich gern geschwisterlich betrachten, sind Geschwister nicht zwangsläufig Freunde. Alain Claude Sulzers neuer Roman Fast wie ein Bruder scheint dieses beinah unbehagliche Verhältnis männlicher Freundschaften zu thematisieren und ist gleichsam eine Erzählung über Homophobie und bildende Kunst.
Stolpersteine: Vielleicht können wir glücklich sein von Alexa Hennig von Lange
Alexa Hennig von Lange bringt mit Vielleicht können wir glücklich sein ihre Heimkehr-Trilogie zum Abschluss, die auf den Lebenserinnerungen ihrer Großmutter basieren. Die Trilogie erzählt das Leben Klaras vom Zerfall der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges sowie von Isabell, die nach dem Tod der Großmutter ihre auf Tonbändern festgehaltenen Erinnerungen findet und daraus einen Roman entwickeln will, während sie sich in ihr Leben als frischgebackene Mutter einfinden muss.
So ein Bewusstsein braucht ja einen Körper: Phytopia Plus von Zara Zerbe
Ob es eine gute Idee ist, sich das Bewusstsein in eine Pflanze transplantieren zu lassen, wenn die Lebensbedingungen auf der Erde für so ziemlich jedes Lebewesen nach der Klimakatastrophe schwierig sind? Die Drosera AG bietet ein solches, Phytopia Plus genanntes Verfahren an und scheffelt viel Geld. Für den Mindestlohn arbeitet Aylin dort als Pflanzenpflegerin. Sie hat aber auch noch ein Nebengeschäft, das ihr alsbald Probleme bringt.
Nothing, forever: Flunker von Dennis Cooper
Dennis Cooper serviert uns transgressive Häppchen: Sechs Stories, die man in ihrer Entstehungszeit bis zu seinem vorletzten Roman The Marbled Swarm zurückverfolgen kann, sind im unabhängigen Kleinverlag Amphetamine Sulphate erschienen. Flunker liest sich wie ein Sampler seines Oeuvres, der Erinnerungen an vergangene Großtaten wie Die Schlampen oder Ich wünschte wach werden lässt.
Ich habe Angst zu sehen: Eskalationsstufen von Barbara Rieger
Julia will eigentlich Künstlerin sein, unterrichtet aber Deutsch als Fremdsprache. Der Besuch einer Vernissage stellt ihr Leben dann auf den Kopf: Sie begegnet dem mäßig erfolgreichen Maler Joe. Obwohl sie in einer Beziehung ist, beginnt sie eine verhängnisvolle Affäre. Barbara Riegers Roman Eskalationsstufen ist strukturiert und benannt nach dem Stufenmodell von Jane Monckton Smith, das die Stufen beschreibt, die eine Beziehung bis zum Femizid durchläuft.
Zeichen des Verschwindens: Wendeschleife von Regula Portillo
“Auch ich bin Schrift / und in eben diesem Augenblick / entziffert mich jemand.” Dieses Zitat Octavio Paz’ stellt Regula Portillo ihrem neuen Roman Wendeschleife voran. Es geht um das Verschwinden, ob durch Trennung oder Tod und die Schleifen, die die Gedanken der Zurückgebliebenen ziehen können. Das Gegenüber konstruiert sich in uns, ist immer unsere Interpretation. Was passiert, wenn wir das Gegenüber nicht mehr fragen können, ob sich unsere Interpretation von Ihnen einigermaßen mit deren Interpretation von sich selbst deckt?
Das Buch der Schwestern von Amélie Nothomb
Das Schicksal zweier Schwestern erzählt in 150 Seiten: Dieses Kunststück gelingt der belgischen Autorin Amélie Nothomb mit ihrem aktuellen Roman Das Buch der Schwestern. Tristiane wird in eine liebevolle Ehe hineingeboren. Doch die Liebe der Eltern ist so intensiv, dass eigentlich kein Platz für ein Kind ist: Eine andere Art der Verwahrlosung, könnte man sagen. Doch Tristiane ist hochbegabt, und als die Eltern auf ihren Wunsch hin noch ein Töchterchen in die Welt setzen, erfährt auch sie, was Liebe ist.
Die Wahrheit, die sie brauchen: Die Schattenmacherin von Lilly Gollackner
Eine Welt ohne Männer erscheint in Die Schattenmacherin von Lilly Gollackner nicht unbedingt wie eine Utopie. Das hat auch mit den Umständen zu tun: Die Erde ist 2068 durch den Klimawandel und heftigen Kriegen kaum noch bewohnbar. Ein von Ruth geleitetes Matriarchat hat Sicherheit und Stabilität gebracht. Doch nun ist sie 70 und soll durch die intelligente Ania ersetzt werden: Diese stellt unbequeme Fragen – zu im Schatten getroffenen Entscheidungen und ob man Männer nicht wieder zurückbringen sollte.