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Tag des offenen Weinguts, Episode IV: Wenn Engel reisen

Flammkuchen RadebeulSpätsommer oder Frühherbst: bangen Blickes schaut man gen Himmel und checkt den Regenradar. Während es vormittags noch ordentlich schüttete, zeigten sich meine Eltern und ich fest entschlossen: Der jährliche Besuch beim Tag des offenen Weinguts fällt nicht ins Wasser. Und Petrus belohnte unseren Frohmut, denn nachmittags blinzelte, zumindest in Radebeuls Weinbergen, die Sonne hinter den grauen Wolken hervor.

Die Tradition in der Tradition besagt, dass die erste Station des alljährlichen Weinbergbegängnisses auf der Bennostraße 9¾ im Weingarten des Winzers Frédéric Fourré liegt. Die gemütliche warm-weinselige Atmosphäre verzückt Jahr auf Jahr. Ein DJ dreht entspannte Beats in den Äther, das Speisenangebot trumpft wie üblich mit Vielfältigkeit auf. Neben französischen Tartes (wir nahmen Birne und Aprikose) gibt es einen ersten Flammkuchen und – natürlich – die 3er Einprobe bestehend aus Gutedel, Kerner und einem Cuvee. Allesamt leichte Weine mit angenehmer Säure, nicht zu fruchtig, nicht zu herb, durchweg angenehm und ich würde soweit gehen, den Gutedel mit in die erste Reihe dieses Tags zu stellen. Uns gefällt es so gut, dass wir auf den Bänken festzubacken drohen, also ein zweites Gläschen Wein bestellt, von der Atmosphäre so verträumt, dass ich verpasse, dass der Tu le mérites, den ich bestelle, ein süßer ist. Er hat fast etwas von Federweißer.

Alsbald fängt die Sonne an zu blinzeln, also wagen wir uns unter dem Pavillon hervor und gehen, wie die letzten drei Jahre auch, zufrieden weiter zur nächsten Station, die vorerst Hoflößnitz ist, um einen Lageplan zu ergattern und die Aussicht zu genießen. Hier ist wie üblich mehr Trubel als beim Franzosen. Wir verweilen nicht und laufen weiter zum Weingut Karl Friedrich Aust, das direkt daneben liegt. Hier geben Sonnenblumen vor Weinhängen ein hübsches Fotomotiv, der Garten lädt zum Verweilen ein. Ich nehme einen trockenen Riesling, dessen kräftige Farbe sich in der kräftigen Säure spiegelt. Ein Wein mit ausgeprägtem Charakter, mit dem sich nicht jeder anfreunden wird.

besenschänke haselbuschEine Entscheidung steht an: Diese Ecke Radebeuls kennen wir, von den Weinbergen aus betrachtet, sehr gut. Wollen wir etwas Neues sehen, müssen wir weiter. Und so machen wir es auch. Die Besenwirtschaft Haselbusch klingt laut Beschreibung fabelhaft. Wir trinken aus und parken um. Keine zehn Minuten Fahrt später stehen wir vor einer steilen Treppe, deren Begehung unsere angetrunkenen Herzen beschleunigt. Die Besenwirtschaft Haselbusch erstreckt sich über drei Etagen, von ganz oben hört man Gegröle. Auf der mittleren die eigentliche Wirtschaft, der Herr am Ausschank gießt uns drei Gläser Wasser ein – für den Aufstieg. Die Weinkarte ist hier schon zusammengeschrumpft, keine Überraschung ob der ausgelassenen Stimmung. Ich entscheide mich für einen Grauburgunder, der Wein des Tages, geschmackvoll, ohne aufdringlich zu sein, die Traube ist für einen trockenen, sehr hellen Wein erstaunlich präsent. Die Aussicht ist spektakulär, wir können bis nach Dresden schauen, wo ein Regenschleier hängt.

Wir teilen uns den Tisch mit zwei netten Damen, man kommt ins Gespräch, bestellt Flammkuchen, die Wartezeit ist lang. Aber die Kombination Birne-Ziegenkäse-Honig-Rosmarin ist jede Minute des Wartens wert. Es wird langsam dunkel und frisch. Die unheimlich liebenswerte Mann am Ausschank hat noch einen Rotwein gefunden, der gar nicht schwer ist. Wir blicken nochmal über die Lichter der Stadt in der Dämmerung und wagen den Abstieg, gut verköstigt, glücklich.

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