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90ies Nostalgia: Giegling 2020

Giegling 2020Dass für 2020 geplante Dinge dann erst 2021 das Licht der Welt erblicken, kennt man inzwischen. Neben großen Sportveranstaltungen traf dieses Schicksal den jährlichen Sampler des Weimarer Labels Giegling, und so kommt die Doppel-E.P. mit über einem halben Jahr Verspätung im Briefkasten an – es gab wohl Probleme beim Pressen des schwarzen Goldes. Dass vor tatsächlichem Erscheinen keiner der Songs gehört werden konnte, änderte freilich nichts daran, dass sie wie üblich schon längst ausverkauft ist. Die Erwartungen haben sich mit der langen Wartezeit natürlich nur vergrößert – und stellen dem Hörerlebnis dann irgendwie ein Bein.

Wie gewohnt verliert das Label nicht allzu viele Worte, die Tracklist muss man zugekniffenen Auges aus dem Plattenrändern lesen. Dabei sind einige neue Namen – ob sie nun neue Künstler oder lediglich neue Pseudonyme sind, ist spekulativ. Der Einstieg in Giegling 2020 beginnt aber mit einem bekannten Namen und ziemlich gefällig. “Where Do We Go From Here” von map.ache könnte auf dessem vorletzten Album Platz finden, eingeleitet wird es mit viel Reverb versetzten Gitarrenlicks, bevor ein an 90ies Rave erinnerndes Vocal Sample eingestreut wird. Hinzu kommt noch ein von epischen Pads umschwärmter Break Beat. Es ist ein guter, aber wenig bemerkenswerter Einstieg. Dieser Eindruck verstärkt sich auf der folgenden House Nummer “I Need You” von Leafar Legov, in der sich seidige Keys an ein schmachtendes Vocal Sample schmiegen.

Während die A-Seite ein bisschen was von 90er Rave Nostalgie verbreitet, ist Hip Hop die Referenz auf der B-Seite. Mollys “All Good” macht von einem Chaka Khan Sample gebrauch, das es sich zwischen einer boomenden Bassline und samtigen Keys gemütlich macht. Es folgen The Ghostbusters mit “A River A Tree A Rock”. Der Beat geht hier mehr in Richtung Minimal Techno, auf den großzügig ein Sample aus „I’m Afraid The Masquerade Is Over“ von David Porter aufgesetzt wird. Dieses markante Sample kennt man aus bekannten Hip Hop Produktionen wie von der 90er Jahre Legende The Notorious B.I.G. und klingt entsprechend etwas ausgelutscht.

Wirklich interessant wird es auf der C-Seite, die einzig “Ceve” von dem bisher unbekannten Pseudonym Bim Bim vereinnahmt wird. Nicht nur beim Namen sondern auch bei dem dunklen Sound assoziiert man hier den Berliner Techno-Produzenten* Pom Pom, wenngleich die aufgeräumte Struktur des Tracks eher an Perlon-style Minimal Techno erinnert (tatsächlich handelt es sich wohl um Rhadoo). “Ceve” bietet letztlich nur eine 4/4 Bassdrum, um die dissonante Effekte und Stimmen rauschen – ausgedehnt auf an Ricardo Villalobos erinnernde 18 Minuten Spielzeit. Vom Soundkostüm bleibt es einer der interessantesten Tracks der Sammlung – auch wenn er wie die Vorhergehenden eher in Referenz zu alten Zeiten funktioniert.

Auf der D-Seite kommen zwei neue Künstler(namen) zum Zuge (Cosmic Intelligence Agency, Free People) – mit eher durchwachsenem Ergebnis. Vor allem die Erstgenannten sind etwas verschwurbelt und gehen nicht so recht ins Ohr, bevor ”La Colline” von The Mountain People mit seinem kompakten Elektro-Beat zum Schluss nochmal für Schwung sorgt.

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