Ein Chirurg und seine “Milch”: In Propofol lässt Corinna T. Sievers einen alternden Arzt an das ruhmlose Ende seiner ruhmreichen Karriere am Uniklinikum der Hauptstadt Revue passieren. Dem Medizinschrank und den Frauen äußerst zugetan, patzt er ausgerechnet bei der Operation, die seine Karriere krönen soll. Nun, tief aber nicht allzu hart gefallen, zieht er ziemlich reuelos Bilanz.
Corinna T. Sievers ist als Autorin dem Medizinischen und Sexuellen sehr zugetan. In Vor der Flut ließ sie eine sexomane Zahnärztin von ihren expliziten Abenteuern sprechen, nun ist es Bernhard Rohr, zweiter in der Hierarchie an Berlins Uniklinikum. Sein Name lässt es bereits vermuten: Auch er hat, von seiner Karriere abgesehen, nur Sex im Kopf. Rohr ist ein grässlicher Mann, der die Sache mit dem Halbgott in Weiß tatsächlich glaubt. Nun ist er allerdings auch Ende sechzig, was bedeutet, dass sein Körper dem Verfall preisgegeben ist. Für einen Schwerenöter wie ihn natürlich ein Problem – die Frauen sind inzwischen nicht mehr so leicht ins Bett zu bekommen. In der erzählten Gegenwart hat er seinen Job bereits verloren. In den Rückblenden, die sein Scheitern nachzeichnen, steht er kurz vor dem 65. Geburtstag vor einer spektakulären Trennung siamesischer Zwillinge, die er als Chefchirurg verantwortet – und, so viel nimmt der Text vorweg, juristische Konsequenzen gehabt werden wird.
Propofol ist eine Ich-Erzählung und so hat der Leser das Vergnügen, über 200 Seiten im Kopf dieses „sterbenden Schweins” zu verbringen (7). Seine Ausführungen springen zwischen seiner Lust nach der nächsten Frau und seiner Verachtung für zum Teil eben jene Frauen sowie seine Kollegen hin und her. Man könnte Bernhard Rohr gewissermaßen als Mann alter Schule bezeichnen: Wenig emotional, auf die Karriere fixiert und ohne echte Freunde. Das Leben ist ein Wettkampf – um Frauen und Positionen. Am Laufen hält ihn neben Kokain und Viagra das titelgebende Propofol. Dieser Mix wird ihm, wenig überraschend, natürlich zum Verhängnis.
Man kann sich vorstellen, dass Sievers großen Spaß beim Schreiben dieses Romans hatte. Er ist eine Demontage dieses Typus Mannes gekleidet in dessen verächtlichen Ton. Zugegeben: Es ist weder der tiefgründigste noch raffinierteste Text. Dennoch: Auch als Leser kann man Vergnügen an Propofol haben. Denn wer findet keine Freude daran, Arschlöcher an der eigenen Hybris scheitern zu sehen?
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Propofol ist bei der Frankfurter Verlagsanstalt erschienen.
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