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Das Licht in der Dunkelheit: Junge mit schwarzem Hahn von Stefanie vor Schulte

Junge mit schwarzem HahnStefanie vor Schulte ist ein düsteres Märchen mit strahlend hellem Stern geglückt. Junge mit schwarzem Hahn ist eine Heldenreise durch ein nicht näher benanntes Land in einer nicht näher benannten Zeit. Feudale Strukturen lassen auf das Mittelalter schließen, der schwarze – sprechende – Hahn auf ein Sagenreich. Es ist zumindest eine dunkle, empathielose Zeit, Junge mit schwarzem Hahn eine Warnung, dass man durch Empathielosigkeit nicht zurückfallen möge in eine Gesellschaft, in der jeder nur das eigene Überleben sieht.

Martin ist der Junge mit schwarzem Hahn und er lebt in einer kleinen Gemeinde, die sich vor ihm gruselt: Sein Vater schlachtete einst die Familie nieder, er allein überlebte, zusammen mit einem Hahn, der ihm seitdem nicht mehr von der Stelle weicht. Er ist sein einziger Gefährte in einem Leben, das aus Missachtung und harter Arbeit bei wenig Lohn besteht. Das Dorf ist gottverlassen, die Kirche hat keinen Pfarrer mehr, jeder Mensch mit Auffälligkeiten wird ausgegrenzt. Doch trotz der Dunkelheit, die ihn umgibt, ist Martin reinen Herzens, ein Licht, das kaum einer sieht.

Der Reiter. Sein ganzes Leben kennt Martin die Geschichte vom Reiter im schwarzen Mantel, der Kinder holt. Immer ein Mädchen und einen Buben. Und niemals tauchen sie wieder auf. Und nun begegnet er ihm und läuft hinter ihm her (26).

Eines Tages kommt ein Maler in die Stadt, um ein Altarbild zu malen. Eines Tages kommt ein schwarzer Reiter, der eines der Kinder im Dorf entführt. Beide Ereignisse reißen Martin aus dem Dorf, das ihn auch gar nicht verdient. Der Maler nimmt sich seiner an, nimmt ihn mit. Martin geht, weil er eigentlich den schwarzen Reiter finden und das Kind befreien will. Das Gespann zieht durch ein Land wie aus dem düstersten aller Grimm-Märchen. Die Menschen hungern, sind arglistig, faulen von innen heraus.

Die Leichen tropfen von den Bäumen wie vergorene Äpfel (89).

Junge mit schwarzem Hahn ist eine klassische, in drei Bewegungen gegliederte Heldenreise, erzählt in schaurig schönen Bildern. Stefanie vor Schultes junger Held muss sich in einer absurden Welt behaupten, voller Selbstgerechter, eine Welt, die ihre Kinder verschluckt. Der tugendhafte Held und das mittelalterliche Setting samt magischer Momente erinnert dabei durchaus an Don Quixote und kann als Plädoyer für die Freundschaft und mehr Miteinander gelesen werden. Denn auf diesen dunklen Wegen, auf denen Martin wandeln muss, will wirklich niemand gehen.

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Junge mit schwarzem Hahn ist bei Diogenes erschienen.

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