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“Move little hands… Move!” Die tschechischen Surrealisten Jan & Eva Švankmajer

“Move little hands… Move!” Die tschechischen Surrealisten Jan & Eva ŠvankmajerWas ist denn hier los?! Überflutung der Sinne, es knarzt und tönt aus allen Ecken, dicht an dicht gedrängt sind Objekte aller Art, Videos, Gemälde, Grafiken, Puppen: Move little hands… Move! ist eine Retrospektive der tschechischen Surrealisten Jan & Eva Švankmajer. Über 300 Exponate hat man in die Kunsthalle im Lipsiusbau gestopft, ein heilloses Durcheinander auf dem ersten Blick. Auf dem zweiten auch. Hier regiert die Befreiung von jedweden Ordnungssystemen.

“Gib dich ganz deinen Obsessionen hin”

Die staatlichen Kunstsammlungen Dresden zeigen in der Kunsthalle im Lipsiusbau zuletzt fordernde, abstrakte Kunst. Man findet sich nicht immer leicht ein in die Ausstellungen. Zuweilen kann der Museumsbesuch sehr leseintensiv sein. Dieses Problem begegnet einem bei “Move little hands… Move!” Die tschechischen Surrealisten Jan & Eva Švankmajer nicht. Hier gibt es kaum Text, dafür jede Menge zu sehen. Nur zu Beginn kann man sich in das Programm einlesen in Form einer großen schwarzen Tafel, dem Dekalog von Jan Švankmajer. Dort steht unter anderem geschrieben: “Denke daran, dass es nur eine Poesie gibt. Das Gegenteil der Poesie ist das Spezialistentum”. Wenig später heißt es: “Gib dich ganz deinen Obsessionen hin”. Wer einen Film drehen will, soll erst einmal ein bisschen schreiben und malen und beim Schaffensprozess tief in sich eintauchen und die Schätze der Kindheit bergen. Es sollte also klar sein: Formale Gesichtspunkte spielen bei Jan & Eva Švankmajer eine eher untergeordnete Rolle.

In “Move little hands… Move!” Die tschechischen Surrealisten Jan & Eva Švankmajer hat das Es das Sagen. Es ist vom Ego befreite Kunst. Die einzelnen Objekte sind nicht näher beschrieben. Welchem der beiden Künstler ein Werk zuzuordnen ist, scheint nicht wichtig zu sein – wir tauchen ein in eine Welt, die vorsprachlich ist, in der die Obsession regiert.

“Move little hands… Move!” Die tschechischen Surrealisten Jan & Eva ŠvankmajerAm zugänglichsten sind noch die surrealistischen Malereien, die farbenfroh und verspielt sind. Trotz viel nackter Haut haben sie oft etwas kindliches. Sie wirken vergleichsweise zahm wenn man die in der Halle dicht an dicht gedrängten Objekte betrachtet. Groteske Tierpräperate und albtraumhafte Marionetten entführen den Besucher auf eine Art Jahrmarkt des Unterbewussten – dem Teil, aus dem die Albträume kommen. Totale Reizüberflutung regiert in der großen Halle. In den Nebenräumen ist es aufgeräumter. Hier werden Filme gezeigt. Jan Švankmajer ist einer der Vorreiter des Animationsfilms, Tim Burton soll von dessen Stop-Motion-Technik sehr beeindruckt gewesen sein. Auch diese Filme zeigen sich als schwer zu knackende Rätsel. Da führt ein Mann einen Besucher durch seinen seltsamen Garten, dessen Hecke aus sich an den Händen haltenden Menschen besteht. In der “Der Tod des Stalinismus in Böhmen” stampft eine Stalinstatue durchs Bild, die irgendwann auf einen Operationstisch kommt und aufgeschnitten wird.

Mit großen Augen und etwas Unbehagen läuft man durch die zum Kuriositätenkabinett gewandelte Kunsthalle. Meine Ordnungsmechanismen greifen nicht. Mit dunkler Ironie begegnet das Künstlerpaar den Schrecken der Welt, mit unerschrockener Schaffenslust entflohen sie den Zwängen eines autoritären Regimes in die Freiheit der Imagination (Jan Švankmajer wurde mit einem Berufsverbot belegt). Wer sich die Werke auf inhaltlicher Ebene erschließen will, braucht vielleicht eine Führung oder eine eingängige Lektüre zum Schaffen der Künstler sowie zu Tschechien während des Sozialismus. Ansonsten bleibt nur eins: Staunen und ab und zu verschlagen grinsen.

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“Move little hands… Move!” Die tschechischen Surrealisten Jan & Eva Švankmajer ist bis 08.03.2020 im Lipsiusbau der Staatlichen Kunstsammlungen zu sehen. Der Eintritt beträgt 5 Euro.