Medea, Penthesilea, Kassandra: Ob Zauberin, Amazonenkriegerin oder Weissagerin, diese Frauenfiguren der antiken Mythologie stehen in Literatur, Musik und bildender Kunst für starke Frauen, die mit patriarchalen Strukturen brechen. In der Kunsthalle im Lipsiusbau zeigt die Ausstellung Medea muckt auf noch bis zum 31. März Werke von Künstlerinnen aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, die sich in Anlehnung an diese tragischen Heldinnen geläufigen Rollenvorstellungen sowie institutionell akzeptierten Ausdrucksweisen widersetzten.
Der Rückgriff auf antike Stoffe wurde von vielen diesseits des Eisernen Vorhangs genutzt, um subtil Kritik am System zu üben. Dies ließ sich auch an der bis vor kurzem im Albertinum zu sehenden Sonderausstellung Ostdeutsche Malerei und Skulptur 1949–1990 im Albertinum beobachten, in der beispielsweise Wolfgang Mattheuer mit seiner Sisyphos-Serie ausgestellt wurde. Doch während Männer eher auf Figuren wie Ikarus oder Sisyphos rekurrierten, bedienten sich Künstlerinnen hinter dem Eisernen Vorhang bei Medea oder Penthesilea, um sozialistische und bürgerliche Rollenbilder ins Wanken zu bringen. Konkret sichtbar ist dieser Rückgriff in den Penthesilea-Bildern von Angela Hempel (Beitragsbild) oder Christine Schlegel. Letztgenannte sieht man inzwischen regelmäßig in den Schauen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (so auch in der Ausstellung Ostdeutsche Malerei und Skulptur 1949–1990 sowie Geniale Dilletanten [sic!], beide im Albertinum).
Die Mehrzahl der Exponate ist aber eher im Geiste mit den antiken Vorbildern verbunden. Es sind die Unangepasstheit und Stärke von Medea, die als verbindende Elemente zwischen den über dreißig ausgestellten Künstlerinnen dienen. Und so bietet Medea muckt auf ein wahres Potpourri verschiedener Ausdrucksformen, die von Malerei über Videokunst zu fotografischen, textilen, skulpturalen und grafischen Arbeiten reichen. Vieles davon ist von einem dezidierten Punk-Ethos beseelt. Liebreizende Frauenbilder darf der Besucher also nicht erwarten. Der male gaze ist ausgesperrt. Stattdessen zeigen die Werke Arbeiterinnen, performative Selbstinzenierungen, alternde Frauen sowie einige abstrakte Arbeiten, die vom Betrachter viel Interpretationswillen fordern.
Medea muckt auf zeigt in diesem Sinne keine schöne oder einfach zu verdauende Kunst. Zwischen spielerisch und sperrig bietet sich dem Besucher aber ein aufregender Blick hinter den Eisernen Vorhang, wo offensichtlich nicht nur sozialistischer Konformismus, sondern eben auch allerhand Rebellion wohnte. Empfehlenswert!
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Medea muckt auf. Radikale Künstlerinnen hinter dem Eisernen Vorhang ist noch bis zum 31. März 2019 in der Kunsthalle im Lipsiusbau zu Dresden zum Preis von 6 Euro (4,50 ermäßigt) zu besichtigen.