Die Stuttgarter Experten für slow Country Brthr melden sich mit ihrem vierten Album Brother zurück und expandieren ihren eigentümlichen Sound, ohne an Wiedererkennungswert einzubüßen. Nachdem der Vorgänger High Time for Loners das Duo bereits vom minimalistischen Country-Blues der ersten beiden LPs entfernte und nur bedingt überzeugende, poppige Momente einführte, wendet man sich zum Quartett angewachsen auf Brother dem geschmeidigen Soul der späten 60er und frühen 70er zu.
Meine drei Platten des Jahres 2023
Spotify Wrap up geht nicht – leider keinen Account. Aber eine umfangreicher werdende Plattensammlung, die in diesem Jahr nicht nur um den einen (Electric Wizards Dopethrone) oder anderen Klassiker (The Haxan Cloaks Excavation) bereichert wurde, sondern auch einige überzeugende Neuerscheinungen aufnahm. Die besten drei in beliebiger Reihenfolge sind:
In den Sommer geträumt: Due In Color von Andrea
Das Münchener Label Ilian Tape besetzt seine ganz eigene Nische in der elektronischen Musik: Techno, Drum’n’Bass und Ambient werden irgendwo zwischen Clubnächten und faulen Tagträumerein hybridisiert. Andreas zweites Album auf dem Label, Due in Color, macht keine Ausnahme und erinnert an vergangene Großtaten des Labels.
Fly me to the moon: Epiphany von Lawrence
Eine Epiphanie ist ein Moment der plötzlichen Erkenntnis. Im religiösen Kontext versteht man darunter auch eine Offenbarung. Also ein Moment großer Klarheit. Und irgendwie denke ich – es mag am verwaschenen grauen Cover liegen – beim Hören von Epiphany, der neuen, beim Giegling Label erschienenen Doppel-LP des Hamburger Produzenten Peter Kersten a.k.a. Lawrence irgendwie an eine verträumte Reise zum Mond und die neue Perspektive, die es einem geben muss, von dort den blauen Planeten schwerelos im Nichts zu sehen. Die Musik hat freilich nichts von donnernden Raketenstarts: Die insgesamt 11 Tracks sind anschmiegsamer Deep House, zu dem man gern die Augen schließt und losfliegt.
November Rain: Borders Of The Sun von Sa Pa
Ein Sounddesign mit hohem Wiedererkennungswert ist schon mal die halbe Miete. Der Produzent Sa Pa ist unverwechselbar: Ein verrauschtes, knisterndes, basslastiges Klanggebräu aus Field Recordings, deren Ursprung kaum herauszuhören ist, ist allen Veröffentlichungen zueigen. Verwechslungsgefahr besteht höchsten zu eigenen Werken: Die neueste EP Borders of the Sun bringt zusammen, was man so ähnlich schon auf seinen ersten beiden LPs gehört hat.
Out Of Place Artefacts II von Vril & Rødhåd
Out Of Place Artefacts sind Objekte, die in einem ungewöhnlichen Kontext gefunden werden. Ihnen wohnt also etwas Rätselhaftes, Mystisches inne – als würde man einen iPod in einer antiken Ausgrabungsstätte finden. Aus diesem konzeptionellen Überbau haben die beiden Produzenten Vril und Rødhåd 2020 ein gemeinsames Projekt geschaffen, das ihre Fähigkeiten zu einer perfekten Symbiose verschmilzt und nun seine Fortsetzung findet. Und anders als man es von Filmen kennt – eine gewisse Sci-Fi Ästhetik wohnt auch Out Of Place Artefacts II inne – ist die Fortsetzung tatsächlich noch ein Stück besser als der bereits überaus stimmige Vorgänger.
Ein Tänzchen wagen: So oder so von map.ache
Aus Sommer wird Herbst: Das ist nicht nur die banale Abfolge der Jahreszeiten, sondern auch die Verzögerung, mit der Vinyl-Veröffentlichungen auf sich warten lassen. Ob es bei So oder so von map.ache auf dem Weimarer Label Giegling an der allgemeinen Rohstoffkrise oder Bummelei liegt, vermag man nicht zu sagen. Fest steht: Die EP So oder so hat die häusliche Bequemlichkeit von map.aches vorzüglicher letzter LP hinter sich gelassen und zeigt in eine Zeit, in der man wieder tanzen darf.
Neue Musik: Ateq & Orion / Danger Mouse & Black Thought
Zwei Platten, zwei Kollaborationen, jeweils wie aus einem Guss: Während die Techno-Produzenten Ateq & Orion der kürzlich verstorbenen Queen zu musikalischem Glanz verhelfen, bringen Danger Mouse & Black Thought eine bereits ein Jahrzehnt gärende Zusammenarbeit ans Licht.
Palais.Sommer am Ostra-Dome: NOUK (Support: Tiflis Transit)
Seit gut einem Jahrzehnt ist der Palais.Sommer die Ausgehkonstante für laue Abende im Juli und August. Auf der Picknickdecke vor herrlicher Elbkulisse konnte man sich es mit einem kühlen Getränk bei Musik, Literatur und Film herrlich bequem machen. Im Frühjahr dieses Jahres dann helle Aufregung: Die Veranstaltungsfläche vor dem Japanischen Palais war neu ausgeschrieben worden und ein Anderer hatte sich das Grundstück mit erstaunlich ähnlichem Konzept gesichert. Nun gibt es den Palais.Sommer also ohne Palais, dafür an gleich drei neuen Standorten.
Anspannen, loslassen: Alandazu von Azu Tiwaline & Allen Wootton
Die Tunesierin Azu Tiwaline hat sich einen Namen mit experimentellen Produktionen irgendwo an der Schnittstelle zwischen Dub und Techno gemacht. Der Brite Allen Wootton ist eher für Garage und Dubstep bekannt. Dub ist die große Gemeinsamkeit zwischen beiden, die sie auf ihrer ersten gemeinsamen EP Alandazu auf unglaublich frische und atmosphärisch dichte Weise neu erkunden. Es sind zwanzig aufregende Minuten Musik, die sich trotz der bassschwangeren Basis keinem einzelnen Genre zuordnen lassen.