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Fly me to the moon: Epiphany von Lawrence

Epiphany von LawrenceEine Epiphanie ist ein Moment der plötzlichen Erkenntnis. Im religiösen Kontext versteht man darunter auch eine Offenbarung. Also ein Moment großer Klarheit. Und irgendwie denke ich – es mag am verwaschenen grauen Cover liegen – beim Hören von Epiphany, der neuen, beim Giegling Label erschienenen Doppel-LP des Hamburger Produzenten Peter  Kersten a.k.a. Lawrence irgendwie an eine verträumte Reise zum Mond und die neue Perspektive, die es einem geben muss, von dort den blauen Planeten schwerelos im Nichts zu sehen. Die Musik hat freilich nichts von donnernden Raketenstarts: Die insgesamt 11 Tracks sind anschmiegsamer Deep House, zu dem man gern die Augen schließt und losfliegt.

Mit dem Ton gewordenen Gefühl schläfriger Augen, dem zuckrigen Moment des Hinabgleitens in sich selbst und die Welt der Träume, eröffnet das kurze “Stranded” sodann Epiphany. Ein unterschwelliges Blubbern kuschelt sich in knisternde und dudelnde Sounds, einige davon wahrscheinlich Field Recordings, andere entstanden am Synthesizer und Keyboards. Eine wohlige Atmosphäre fließt aus den Boxen, bevor “Blue Moon” mit einer nicht allzu aufdringlichen Bassdrum beginnt. Wie die meisten Tracks auf Epiphany, ist der Anfang sehr aufgeräumt. Nach und nach gesellen sich weitere Elemente hinzu. Im Fall von “Blue Moon” sind es sich verträumt wiegende Pads und verstohlen raschelnde High Hats. So unaufdringlich die Songs hier im oberflächlichen Nebenbeihören klingen, so überraschend und detailliert geben sie sich, wenn man in ihnen auf Reisen geht. Hier und da flirren ein paar Sounds durch die Ohren und verschwinden wieder, ephemeral-verwaschene Sounds drehen sich um glasklare Keys und erzeugen eine unaufgeregte Dramatik, bis sich das alles wieder zurückzieht und das sanfte Klopfen der Bassdrum bleibt.

Das folgende “November” beginnt mit einer hibbeligen Melodie und steht auf einem festen rhythmischen Fundament. Die Bassdrum und vor allem die High Hats sind etwas knackiger geraten als im vorherigen “Blue Moon”. Aber alsbald hüllen samtige Keyes den aufgeregteren Start in elegante Geschmeidigkeit; beinah sakrale Pads sorgen im Hintergrund für eine erhabene Stimmung, die den Hörer dann auch aus der A-Seite entlässt.

Es ist schwer, einzelne Highlights aus diese Sammlung herauszugreifen. Lawrence ist auf dieser wie auch auf anderen Veröffentlichungen eine eigene, schwelgende Handschrift zu eigen, die zwischen klar und elegant sowie heimelig und umarmend oszilliert. Epiphany ist Deep House für die After Hour und entspannte Abende auf der Couch. Selbst wenn wie bei “Hamburg” eine federnd klopfende, von zischenden High Hats begleitete Bassdrum das Rückgrat bildet, wird sie von seidigen Keys und Pads eingebettet. Wenn ich ein Highlight identifizieren müsste, so wäre das “Diver”, der letzte Track des Albums. Hier eröffnet wieder eine klopfende Bassdrum das Geschehen, unter die sich eine knackig groovende Bassline begleitet von blubbernden Geräuschen schiebt. Das ist dann schon tanzbar, doch wird dieser aufgeräumte Eindruck konterkariert von einem elegischen Klavier in Moll. Auch das ist eine Epiphanie: Die Erkenntnis, dass ein einzelnes Instrument einen tanzbaren Rhythmus zu einem schwelgenden Stück Musik machen kann.

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Epiphany ist bei Giegling erschienen.

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