Erwachsenwerden ist nicht einfach, schon gar nicht, wenn man 1980 in einem buddhistischen Kult groß wird und die Mutter schwer erkrankt. Der elfjährige Erzähler in Oisin Currans Roman Wenn ich jetzt nicht weine wird darüber hinaus von Visionen eines vermeintlich früheren Lebens geplagt. Es ist eine Mischung aus Coming of Age und Jules Verne Roman, ein faszinierender, phantasievoller Text, der seine Geheimnisse nicht ohne Weiteres preisgibt.
Rauschen im Club: Vessel von Sa-Pa
Geheimnisvoll, entrückt, knisternd, eigen: Die Musik des Produzenten Sa-Pa ist unverwechselbar und brodelt im Spannungsfeld zwischen sperrig und faszinierend. Man erinnert sich eher an eine Atmosphäre denn an einen Rhythmus oder eine Melodie, nachdem man einen Track von ihm gehört hat. Seine LPs gleichen Soundtracks für Blade Runner-esque Filme, die nie gedreht wurden. Die neue EP Vessel bleibt seinem verrauschten Dub-Techno-Sound treu, ist im Gegensatz zu den vorherigen Veröffentlichungen aber mächtiger im Sound und bei minimaler Beleuchtung fast schon tanzbar.
Frei leben: Der perfekte Kreis von Benjamin Myers
“Nähre den Mythos und strebe nach Schönheit”, so lautet das Motto von Redbone und seinem Kumpel Calvert, zwei Männer mittleren Alters, die die Wochenenden des englischen Sommers damit zubringen, riesige Kornkreise zu erschaffen. Benjamin Myers Roman Der perfekte Kreis ist ein Buch über Freundschaft, Schaffenslust, Natur und das freie Leben.
Träume von Freiheit: Romantik in Russland und Deutschland im Albertinum
Freiheit ist wieder ein stärker umkämpfter Begriff, seit uns coronabedingt Einschränkungen dieser im Alltag spürbarer begleiten. Die reine Freiheit gibt es freilich nicht seit der Mensch in Gesellschaften lebt. Die eigene Freiheit hört schließlich dort auf, wo sie die des nächsten beschränkt. Man gibt ein bisschen Freiheit und bekommt ein bisschen Sicherheit, ist die nüchterne Betrachtungsweise. Vorstellungen von Freiheit wandeln sich selbstredend und auch davon zeugt unter anderem die neue Sonderausstellung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im Albertinum unter dem Titel Träume von Freiheit: Romantik in Russland und Deutschland, die vordergründig natürlich traumhafte Landschaften getaucht in Farben der Sehnsucht und Melancholie zeigt.
Künstliche Intelligenz: Menschen – Lernen – Menschheitsträume im DHMD
Algorithmen haben schon längst großen Einfluss auf unser Leben, sie schlagen vor, welchen Film wir als nächstes bei Netflix sehen – Algorithmen spielen auch eine Rolle bei der Entscheidung darüber, welche Filme überhaupt entstehen – oder welche Produkte wir noch kaufen können. Kaum ein Begriff aus der IT steht seit einiger Zeit so hoch im Kurs wie Künstliche Intelligenz, der trotz seiner oft erwähnten fundamentalen Bedeutung für Gesellschaft und Wirtschaft nicht so ganz im Verständnis der Gesellschaft angekommen ist. Die neue Sonderausstellung Künstliche Intelligenz: Menschen – Lernen – Menschheitsträume des DHMD bringt ihn nun anschaulich näher, erklärt und zeigt, informiert über Risiken und Chancen.
Pornografischer Schlachthof der Romantik: I Wished von Dennis Cooper
In Dennis Coopers Werk ist eine Sehnsucht nach dem Unergründlichen eingeschrieben, die teils drastische Ausdrucksformen findet. Berühmt-berüchtigt wurde der Kult-Autor mit seinem George Miles Zyklus, einer fünfteiligen Romanfolge, deren Muse sein Jugendfreund und große Liebe George Miles war. I Wished, Coopers zehnter Roman, kehrt zurück zu dieser tragischen Beziehung voll offener Fragen. Es ist sein offen persönlichstes Buch, in dem er nicht zum ersten Mal das ausdehnt, was wir unter “Roman” verstehen.
Ferien mit dem schwulen Onkel: The Guncle von Steven Rowley
Der schwule Onkel Patrick, oder kurz GUP oder auch The Guncle (für gay uncle) hat aus einem traurigen Anlass heraus das Glück, einen Sommer lang auf seine Nichte und seinen Neffen aufzupassen. Denn seine beste Freundin, die später seinen Bruder heiratete und mit ihm zwei Kinder bekam, ist nach schwerer Krankheit verstorben. Greg, so der Name des Bruders, ist tablettenabhängig und begibt sich in Rehab und überlässt nun also Patrick die Kinder. Es wird ein unvergesslicher Sommer, der natürlich nicht frei von Komplikationen ist.
Zaungast des Lebens: Das Archiv der Gefühle von Peter Stamm
Das Archive der Gefühle klingt als Titel erst einmal etwas bräsig nach Schmonzettenheft. Der Eindruck täuscht: Gefühle und ein Archiv spielen in Peter Stamms Roman, in dem ein namenloser Erzähler, inzwischen 55 Jahre alt, von seiner Einsamkeit und den Erinnerungen an seine große Liebe, Franziska, erzählt, tatsächlich eine essenzielle Rolle. Es ist aber kein Text verkitschter Liebe, sondern des Stillstands und des zarten Aufbruchs, der uns fragt, ob nur die unerfüllte Liebe die Zeit übersteht.
Böckchen ahoi: Der Schiffskoch von Mathijs Deen
Ein Böckchen sticht zu See: Der Schiffskoch in Mathijs Deens kurzem Roman möchte für die Besatzung des Feuerschiffs, auf dem er arbeitet, ein Gericht aus seiner Kindheit kochen. Hauptzutat ist besagtes Böckchen, das zwischenzeitlich den Matrosen den Kopf verdreht. Der Schiffskoch ist eine kurzweilige, launige wie feinfühlige Erzählung über das Seemannsleben und die Vergangenheit, die sich, ganz gleich wie lang sie zurückliegt, in Wellen immer wieder Bahn bricht.
Die Sünden der Väter: Razorblade Tears von S.A. Cosby
Emotional, spannend, gewalttätig und am Puls der Zeit: Razorblade Tears (deutsch: Die Rache der Väter) hat alles was ein Thriller braucht und ein noch ein bisschen mehr. S.A. Cosbys Roman bearbeitet aktuelle Diskurse der amerikanischen Gesellschaft (race, gender) in einem beinharten Rache-Thriller um zwei trauernde Väter, der von der ersten bis zur letzten Seite absolut fesselnd ist.