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Gesellschaft unvereinbarer Wirklichkeiten: Connect von Thea Mengeler

Connect von Thea MengelerWelch Wunderwerk der Buchdruckkunst: Thea Mengelers Romandebüt Connect strahlt und funkelt, auf schwarzem Grund sind silbern reflektierende Punkte eingelassen, sie formen einen Halbkreis, dazwischen in leuchtend gelb der Titel. Die Gestaltung spiegelt den Inhalt: Mengeler erzählt von Ava, die, unzufrieden mit ihrem Leben, in die Sekte Connect gerät, in der Hoffnung, sich selbst in kommunaler Verbindung zu anderen Menschen zu finden.

Es beginnt mit einer Art Panikattacke: Ava kann nicht atmen, schließt sich auf dem Klo der Werbeagentur ein, in der sie recht erfolgreich als Designerin arbeitet. Es ist ein stressiger Job und das Agenturleben hier gleicht den zahlreichen Beschreibungen, die es dazu schon gibt. Hier wie im praktisch zur gleichen Zeit erschienen Erzählband Supermilch heißt es “work hard, party harder”. Die Werbebranche ist, so scheint es, schwer ohne Klischees zu beschreiben. Junge, kreative Köpfe mit oft nicht immer leicht zu vermittelnden Studienabschlüssen verdienen sich ihre Sporen. Je nach Ehrgeiz versucht man sich in der Ableistung von Überstunden zu übertreffen. Man muss da, so kann ich es aus eigener Erfahrung zumindest berichten, nicht mitmachen, um trotzdem durchzukommen. Solche Querschläger gibt es in Avas Welt wohl aber nicht, sie und ihre Kolleginnen und gleichzeitig Freundinnen Mel und Liz strampeln sich fleißig ab. Auf der Strecke bleibt dabei Avas Gefühl für ihr Selbst. Das merkt man daran, dass sie schlicht nicht nein sagen kann. So plätschert ihr Leben etwas atemlos und doch irgendwie schal als Mischung aus Überstunden im Job und digitales Ennui zum Feierabend vor sich hin. Bis sie eine alte Studienfreundin trifft, die sie mit zu einem Workshop nimmt, der von Connect veranstaltet wird.

Körperübungen, Berührungen, Offenheit locken Ava aus ihrer Zurückhaltung heraus. Sie ist euphorisiert von dem Erlebnis in der Gruppe, von der Verbundenheit, die sie im Kontakt mit anderen Menschen erfährt und dezidiert im Kontrast zur sozialen Verwaisung in sozialen Netzwerken steht. Smartphone-Apps sind ebenso wenig sinnstiftend wie die Jobs in der Werbeagentur, die wichtiger gemacht werden, als sie letztlich sind. Ob eine Website heute oder morgen online geht, wird in den meisten Fällen niemandes Leben nachhaltig beeinflussen, außer vielleicht der Person, die die Deadline verpatzt.

Thea Mengeler erzählt von der Leere, die akademisierte Berufsanfänger, urban und single, erfahren können und erzählt von einer Branche, die sich selbst zu wichtig nimmt, Kollegialität sagt und Leistung meint. Graduell lässt sie ihre Protagonistin in die Sekte abgleiten, erzählt dabei aus der dritten Person, aber nicht allwissend. Die Erzählstimme ist durch Ava gefiltert und so wirken die Argumente der Sektenmitglieder, allen voran der äußerst charismatische Führer Dev, durchaus vernünftig. Bedenkliches schimmert nur ansatzweise durch, Gegenpositionen tauchen eher in Form von Hasskommentaren auf. Connect zeigt so eine Gesellschaft unvereinbarer Wirklichkeiten, in der jeder die Wahrheit für sich beansprucht. Connect sieht sich jedenfalls als “der nächste Schritt der kulturellen Evolution” (126). Ava stimmt dem zu und bricht die ohnehin brüchigen Kontakte ihres bisherigen Lebens ab. Als Leser ahnt man, dass das dramatische Folgen haben könnte.

Bis es in Connect aber dramatisch oder – in Bezug auf die Dramaturgie gesprochen – atemlos wird, vergeht einige Zeit. Connect ist ein sehr konventionell erzählter Text, sprachlich wie strukturell, der behutsam die psychologische Entwicklung seiner Hauptfigur nachzeichnet. Während das auf dieser Mikroebene gut funktioniert, erzählt sie auf gesellschaftlicher Ebene wenig Neues. Das “Agenturleben” wurde in den letzten Jahren nun schon wirklich oft und oftmals berauschender beschrieben. Die Autorin erfindet das Rad also nicht neu. Das ist nicht schlimm, aber mit etwas mehr Mut, wäre noch mehr drin gewesen. So schimmert der Text leider nicht ganz so schön wie sein Umschlag.

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Connect ist bei Leykam erschienen.

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