Dresden,  Essay

Frühling im Großen Garten: Ein bisschen Goethe

Großer Garten Dresden Frühblüher Gelbe WindröschenWenn ich dieser Tage den Großen Garten kreuze, flüstert mir der milde Frühjahrswind immer die ersten Zeilen Goethes Osterspaziergang ins Ohr. Binnen kurzer Zeit haben Schnee und Eis einem gelb und violett schimmerndem Teppich Platz gemacht. In den noch kahlen Bäumen zwitschern die Vögel. Höchste Zeit für den ersten Frühjahrsspaziergang!

Bis Mitte Februar galt hier noch Betreten auf eigene Gefahr. Die Straßen und Wege des Großen Gartens waren über Wochen mit Eis überzogen. Was das Fahrradfahren oder bloße Gehen zum Risikosport machte, brachte auch etwas Winterwelt in die Stadt. Aber seien wir ehrlich: Den schönen Anblick schneeverzierter Bäume tauscht man doch gerne gegen Sonnenschein und Frühblüher.

Darum überrascht es auch nicht, dass am Sonntag reges Treiben in Dresdens schönstem Park herrscht. Schon vor einigen Tagen streckten die ersten Krokusse ihre Köpfe durch die Grasnarbe ins Licht der länger werdenden Tage. Zusammen mit Gelben Windröschen, die man in dieser Zahl nirgends sonst in der Stadt zu finden vermag, überziehen sie die Wiesen zwischen Tiergarten und Hauptallee. Die Frühblüher sind zu dieser Zeit so etwas wie die zentrale Attraktion des Parks. Da können die Schwäne auf dem Carolasee noch so elegant über das vom Eis befreite Wasser gleiten – kühle Schönheit hatten wir in den letzten Wochen ja genug.

Das muss er wohl sein, der holdene belebende Blick des Frühlings. Immer wieder halten die Umherschlendernden an, kurz gefangen von den belebenden Farben. In ihren Gesichtern sieht man es, das viel rezitierte Hoffnungsglück – auch wenn sie diese immer wieder hinter ihren Smartphones und Spiegelreflexkameras verstecken. Festhalten lässt es sich freilich nicht, nur atmen.

Obwohl die Sonne nur ab und an kurz zu einem runter blinzelt, ist die Luft angenehm. Es ist diese Zeit, in der es schwer ist, sich richtig anzuziehen. Es ist zu kalt für die Strickjacke, zu warm für den Wintermantel. Dieses Weder-Noch zeigt sich in anderer Gestalt, wenn man vorbei an den verschmähten Schwänen zum Carolaschlösschen spaziert: Eis- oder Milchkaffee? Erst einmal einen Sitzplatz finden während man ob der warmen Kleidung und dem regen Treiben im Inneren von Innen schmilzt. Am Empfang wird man zur Galerie geschickt. Auf dem Weg zur Galerie wird man auf der Treppe gestoppt:

„Was suchen Sie?“
„Einen Tisch, der Mann am Empfang sagte, hier wäre noch was.“
„Das hat er bestimmt nicht gesagt!“

Da ist sie wieder, die bekannte Dresdner Gastfreundschaft. „Das sind keine Fake News,“ möchte man entgegnen. „Sad!“ So schlagfertig ist man aber nicht und schaut nur etwas verdutzt und hofft, die Dame bekommt die Kurve. Just in dem Moment leert sich unten ein Tisch – im Zuständigkeitsbereich freundlicheren Personals.
Hinter der Fensterfront liegt der Carolasee, auf dem in wenigen Wochen neben Enten auch Boote schwimmen werden, auf dem Tisch werden Kaffee, Kuchen, Eis platziert. Zufrieden jauchzet groß und klein: Hier bin ich…

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