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Revolutionary Romances: Globale Kunstgeschichten in der DDR im Albertinum

Revolutionary RomancesSozialer Realismus und sonst nichts? Die neue Sonderausstellung im Albertinum, Revolutionary Romances: Gobale Kunstgeschichten in der DDR, richtet den Blick auf die in künstlerischer Hinsicht wenig erforschten Beziehungen zum globalen Süden. War die kulturpolitische Hinwendung zu sozialistischen Staaten in Afrika, Asien und Südamerika gelebte Solidarität oder kalkulierte Propaganda vermengt mit wirtschaftlichen Interessen? Werke und Erzählungen deutscher und ausländischer Künstler zeichnen ein vielschichtiges Bild.

Wenn man die Ausstellung betritt, trifft man erst einmal auf das Erwartbare: Die Formsprache des sozialen Realismus begrüßt die Besucher mit den Ikonen des Sozialismus wie Che Guevara oder Lenin. Die in der Verfassung der DDR verankerte “Internationale Solidarität” spiegelt sich in den Bildern von Leonore Adler (Internationale Solidarität, 1986) oder J. Uhlmann wieder: Wir sehen erhobene Fäuste und Friedenstauben im Kontrast zur atomaren Vernichtung der imperialistischen USA. Dieser frühe Abschnitt der Ausstellung verharrt allerdings nicht in der Zeit bis zum Fall der Mauer, sondern stellt auch Exponate aus der Nachwendezeit aus, die die Frage stellen, was von den Ikonen des Sozialismus blieb. So sehen wir weiße Touristen an Kubas Strand mit Lenin als Bademeister (Tonel: Lenin, qué hacer?, 1991) oder Castro inszeniert als Werbebotschafter für Calvin Klein (José Toirac: Eternity, 1996) – Hinweise auf die Kommodifizierung der Revolution nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion.

Tonel: Lenin, qué hacer?, 1991
Tonel: Lenin, qué hacer?, 1991

Nach diesem Einstieg mit Werken deutscher und internationaler Künstler, die auf die Ikonografie des Sozialismus Bezug nehmen, lenkt die Ausstellung den Fokus auf die rund 50 Studierenden aus Afrika, Asien und Südamerika, die während der Zeit der DDR eine künstlerische Ausbildung an der HfBK Dresden erhielten. Viele der entstandenen Werke aus den Sammlungen der Staatlichen Kunstsammlungen werden erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ergänzt werden sie durch Videointerviews, in denen einige der Künstler von ihrer Zeit in der DDR berichten. Der Aufenthalt in der DDR war zumeist – wie bei den internationalen Vertragsarbeitern auch – auf den Zeitraum der Ausbildung begrenzt. Und so fand auch der Ruf nach internationaler Solidarität und internationalen Menschenrechten in der Realität der DDR seine Grenzen: Die ausländischen Studierenden hatten wenig Mitspracherecht darüber, wo in der DDR sie studieren und auch privat fehlten Freiheiten – sie lebten in geschlechtergetrennten Wohnheimen.

Franciscus Effendi: Die verwundete Mauer, 1974
Eine Arbeit des indonesischen Austauschstudenten Franciscus Effendi: Die verwundete Mauer, 1974

Der Blick auf den Globalen Süden durch Künstler aus der DDR bleibt oft in einer eurozentristischen Perspektive verhaftet, vor allem die Darstellungen von Menschen aus dem Globalen Süden bedienen sich wieder und wieder rassistischer Klischees. Der Austausch zwischen den Künstlern blieb ebenso begrenzt – Reisen deutscher Künstler ins Ausland waren streng reglementiert.

Aini Teufel: Afrikaner, o. J.
Rassistische Klischees werden auch in der DDR reproduziert: Aini Teufel: Afrikaner, o. J.

Wie offen kann ein Austausch sein, wenn er in eng gefassten Bahnen stattfindet? Wie antiimperialistisch kann eine Kulturpolitik sein, die sich selbst imperialistischer Mechanismen bedient. Revolutionary Romances zeigt: Theorie und Praxis klaffen auch im Kunstbetrieb der DDR weit auseinander. Damit ist diese Ausstellung eine vielschichtige und äußerst sehenswerte Annäherung an ein Themenfeld, das weitere Forschung verdient.

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Revolutionary Romances: Globale Kunstgeschichten in der DDR ist bis zum 2. Juni 2024 im Albertinum zu sehen.

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