Wenn rot kommt: Wer jetzt an den Weihnachtsmann denkt, liegt gar nicht mal so falsch. Doch hat der, öhm, Roman, den uns die Autorin Petra Piuk und Fotografin Barbara Filips vorlegen, nur jahreszeitlich mit dem Fest der Liebe zu tun. Rot spielt hier auf rot und schwarz wie in Roulette an. Es ist eine Las Vegas-Geschichte, erzählt in Worten und rot gefilterten Schwarz-Weiß-Fotografien, die so ziemlich genau das liefert, was man sich unter einer Las Vegas-Geschichte so vorstellt.
Das flüchtige Glück: Grundlagenforschung von Anke Stelling
Anke Stellings Erzählband Grundlagenforschung taucht ab in die Kampfzone heterosexueller Paarbeziehungen, in denen ihre Protagonistinnen das Glück jagen und sofort misstrauisch werden, wenn es dann doch mal klappt. Es sind vierzehn schwungvoll erzählte Texte, die die Melancholie verkorkster Liebschaften humorvoll auflösen.
Frau ohne Eigenschaften? Auwald von Jana Volkmann
Im Englischen gibt es zwei Wörter für Einsamkeit, loneliness und solitude. Während ersteres die eher traurig trübe Bedeutung des deutschen Wortes hat, ist solitude nicht negativ konnotiert. Jana Volkmanns Roman Auwald erzählt von einer jungen Frau, die aus ihrem Leben aussteigt und deren Einsamkeit eine selbst gesuchte, also solitude, ist.
Das Leben kann zum Fürchten sein: Hotel der Schlaflosen von Ralf Rothmann
“Fear is a man’s best friend”: Dieses John Cale Zitat stellt Ralf Rothmann seinem neuen Erzählband Hotel der Schlaflosen als Motto voran. Es sind elf Erzählungen, in denen Angst oft tief in den Protagonisten eingenistet ist. Ein evolutionsbiologischer Überlebensmechanismus als Freund, der uns durch dick und dünn begleitet: Da schwingt die Hoffnung mit, auch das Schlimmste zu überstehen. Tröstend ist das allerdings nicht.
Der Bildschirm bleibt schwarz: The Silence von Don DeLillo
Don DeLillo ist einer der einflussreichsten Postmodernisten der amerikanischen Literatur. Der 1936 geborene New Yorker ist Teil einer sterbenden Generation großer amerikanischer Schriftsteller, zu der neben Thomas Pynchon und Cormac McCarthy die bereits verstorbenen Philip Roth und John Updike zählen (alle in den 30er Jahren geboren). Mit The Silence (deutsch: Die Stille) ist sein 18. Roman erschienen, Romänchen eher, um nicht das kassengiftige N-Wort zu sagen (Novelle ist gemeint). Auf knapp 100 Seiten blickt DeLillo in die nahe Zukunft. Von einem nicht näher benannten Unheil befallen, passt der Text in die krisengeschüttelte Gegenwart.
Lockdown Dance: The Phantasy – Ibiza 1 + 2 / DJ Metatron – Loops of Infinity (a Rave Loveletter)
Die geballte Ladung Tanzmusik zu einer Zeit, in der man höchstens zu Hause ein bisschen schwofen darf: Traumprinz veröffentlicht ein neues Album (als DJ Metatron) und zwei EPs (als The Phantasy) simultan, acht Platten, fast drei Stunden Musik – und kein Rave in Sicht. Aber das ist gar nicht so unpassend: Vor allem Loops of Infinity (a Rave Love Letter) des DJ Metatron Pseudonyms ist eine nostalgische Reminiszenz an Trance aus den 90er Jahren, also an Partys, bei denen das Licht längst angegangen ist. Transportiert werden quintessentielle Rave-Botschaften von Transzendenz und Heilung, die uns durch den Lockdown trösten sollen.
1 Million Rosen für Angela Davis
Lockdown light is coming, also den Kulturdurst vor der pandemiebdingten Fastenzeit noch schnell gestillt: Die erst am 20. Oktober eröffnete Ausstellung 1 Million Rosen für Angela Davis in der Kunsthalle im Lipsiusbau wird auch – hoffentlich – nach dieser neuerlichen Lockdown-Phase noch zu sehen sein. Sie lohnt sich!
Dunkle Tage: Glossary for the End of Days von Ian Stansel
Nach seinem lesenswerten Debütroman The Last Cowboys of San Geronimo legt Ian Stansel mit Glossary for the End of Days seinen zweiten Erzählband vor. Das klingt nach Endzeitstimmung und passt doch sehr zum aktuellen Moment – Trump, Corona, Klima. Trübe Aussichten, Verunsicherung, der Wunsch, zurückzugehen und die Dinge zu ändern, verbinden die Texte dieser gleichsam melancholischen und einfallsreichen Sammlung.
Ein Nihilist entdeckt die Angst vorm Tod: Leben zu verkaufen von Yukio Mishima
“Nach seinem misslungenen Selbstmord eröffnete sich Hanio eine leere und zugleich großartige, freie Welt” (10): Anstelle es nochmals einfach herzugeben, bietet Hanio sein Leben zum Verkauf an. Der 27-jährige Werbetexter schaltet eine Annonce, auf die sich alsbald seltsame Abnehmer finden – eine Odyssee durch Tokyo beginnt. Leben zu verkaufen von Yukio Mishima, ursprünglich 1968 in Japan erschienen, erscheint erstmals in deutscher Übersetzung und sollte diesem bedeutenden Schriftsteller neue Fans einbringen.
“Man muss sich innerlich vollkommen leer machen”: Nach der Sonne von Jonas Eika
“Uff”, entfuhr es mir an mein Zukunfts-Ich denkend, das irgendwann vor seinem Laptop sitzen würde, also jetzt, während ich Nach der Sonne las und nicht wusste, wie soll ich darüber schreiben? Jonas Eikas Erzählband ist ein sprachlich virtuoser Zauber, vertraut und fremd, fiebrig heiß und klirrend kalt zugleich, der – durchaus politisch, aber ohne Parolen – die Realität aufschmilzt und darin Schlieren zieht.