Ayanna Lloyd Banwo Debütroman Als wir Vögel waren erzählt von einer ungewöhnlichen, magisch angehauchten Liebesgeschichte in Trinidad. Es ist ein von Mythen durchzogener Roman über kreolische Tradition und Großstadtmoderne mit Elementen des magischen Realismus.
Darwin muss weg von zuhause in die Stadt, um Arbeit zu finden. Als Rastafari muss er sich von seinen Dreadlocks trennen, findet schließlich eine Anstellung als Totengräber auf dem jahrhundertealten Friedhof Fidelis. Es ist eine kleine Oase in der fiktiven Großstadt Port Angeles, wo geschäftiges Treiben herrscht und sich Vogelgezwitscher mit Verkehrslärm mischt. Darwins Mutter, ebenfalls Rastafari, bricht den Kontakt zum einzigen Spross ab: Auch Darwins Vater verschwand in der Stadt, als der Sohn noch ein Kleinkind war – und kam nie mehr zurück. Ebenso kritisch ist für sie Darwins Anstellung als Totengräber – “In der Stadt sind nur Tote, Emmanuel. Rastas hüten sich vor den Toten” (25).
Spielt immer ne Rolle, wo einer herkommt. Sagt einem, wie er ist, für was er steht, wo ers nicht so genau nimmt, falls du weißt, was ich mein (40).
Der Schritt in die Stadt ist also ein Schnitt mit der Herkunft. Yejide, Darwins Gegenstück, hat diesen Bruch noch nicht vollzogen. Sie lebt in einem alten Haus, das einst eine Kakaoplantage war, bis es von einer ihrer Ahnin niedergebrannt wurde. Seitdem ist es der Familiensitz, die Frauen der Familie haben eine besondere Verbindung zum Tod – sie können die Toten hören. Yejides Mutter stirbt gerade, was zweierlei Konflikte in der jungen Frau hervorbringt: Ihre Mutter war immer kalt zu ihr – wie soll sie sich von ihr verabschieden? Dann hadert sie noch mit ihrem Erbe – nicht nur die Leitung des Hauses, sondern auch dem metaphysischen Erbe.
Manchmal habe ich immer noch Lust, von hier abzuhauen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass in diesem Haus nur gestorben und der Tod an die Nächste weitergegeben wird. Hast du das noch nie so gesehen? Was wir tun sollen, solang wir leben, erklärt uns niemand, aber was passieren muss, wenn wir sterben, das wissen alle (81).
Yejides Mutter wird schließlich in der Familiengruft auf Fidelis begraben. Schon bevor sie physisch das erste Mal erscheint, um die Formalitäten zu klären, begegnen sich Medium und Totengräber im Fiebertraum – eine Bindung wird geschlossen. Doch ob sie eine Zukunft hat, wird sich noch zeigen müssen. Denn Darwin – selbst reinen Herzens – gerät in die sinistren Machenschaften seiner Kollegen auf dem Friedhof. Es ist eine Liebe, die im Sturm geboren und von den Toten geleitet wird…
Als wir Vögel waren ist für Leser aus dem europäischen Kulturkreis sicherlich ein exotisches Leseerlebnis. Kreolische Mythen, magischer Realismus, vermengt zu einer Liebesgeschichte, etwas Neuem, das entstehen soll in der Gesellschaft des Todes. Es ist ein atmosphärisch dicht erzählter Text, der im Original in trinidad-kreolischem Englisch verfasst und von Michaela Grabinger in umgangssprachliches Deutsch übersetzt wurde. Ein Leser sollte nicht erwarten, viel über das “reale” Trinidad zu erfahren: Denn welche Mythen der Imagination der Autorin und welche der Insel selbst entspringen, ist schwer auszumachen, ebenso wie die Orte des Geschehens, die sämtlich fiktiv sind. Als Leser nähert man sich dem Text also lieber über dessen Stimmung – der feucht-warmen Luft, dem Kontrast aus undurchdringlich grünem Dschungel und wuseligen Straßen, aus magischem Denken und dem Hustle der Großstadt.
Ein ungewöhnliches, aber lohnenswertes Leseerlebnis.
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Als wir Vögel waren von Ayanna Lloyd Banwo ist bei Diogenes erschienen.
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