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Weltflucht und Moderne: Oskar Zwintscher in der Kunst um 1900 im Albertinum

Weltflucht und Moderne: Oskar Zwintscher in der Kunst um 1900 im AlbertinumOskar Zwintscher (1870 – 1960) zählt nicht zu den ganz großen Namen der Kunstgeschichte, die weltweit Menschen in Museen ziehen. In Dresden und Umgebung aber, wo er überwiegend wirkte, kennt man seine Bilder von den Wänden der Städtischen Galerien sowie des Albertinums. Größeren Ruhm genoss er wohl zu seiner Zeit: 1910 brachte er es zu einer Einzelausstellung auf der Biennale in Venedig. Die neu eröffnete große Werkschau Weltflucht und Moderne: Oskar Zwintscher in der Kunst um 1900, der auch ein zweijähriges Forschungsprojekt vorausging, bringt Oskar Zwintscher und Weggefährten neu in Erinnerung.

Oskar Zwintscher
Oskar Zwintscher, Fruchtsegen, 1913

Träumerische, fast, märchenhafte Landschaften bei Tag und Nacht, in Meißen und Umgebung, meistens im Frühling, empfangen den Besucher der Ausstellung: Oskar Zwintscher, geboren in Leipzig, studierte in Dresden und lebte in Meißen, hielt mit dem Pinsel fest, was ihm nah war. Gleich mehrmals begegnen dem Besucher Selbstportraits und Bildnisse seiner Frau, die Dächer Meissens bei Tag und Nacht sowie des nahen Spaargebirges. Die Romantik und der folgende Impressionismus, den Zwinscher wohl nicht schätzte, waren vorbei und die Zeit des Historismus, des Jugendstils, des Realismus und des Symbolismus waren gekommen. Ohne die Erläuterungen zu den Bildern gelesen zu haben, erwecken gerade die frühen Landschaftsmalereien mit blauem, weiten Himmel, blühender Natur, in der Menschen als Teil der Szenerie erscheinen, das Gefühl, als hätte impressionistische Leichtigkeit die Melancholie der Romantik verweht. Aber das ist mehr Wirkung als Stilistik. Die hellen Farben, die realen Vorlagen, der Frühling sprechen die Sprache des Jugendstils. Es sind also überaus angenehm zu betrachtende Bilder, die, meteorologisch betrachtet, natürlich wunderbar in die Saison passen.

Bildnis einer Dame mit Zigarette (1904)
Bildnis einer Dame mit Zigarette (1904)

Dem Jugendstil hängt ja auch der vermeintliche Makel des Dekorativen an. Schön anzusehen, aber nicht ohne Inhalt sind Zwintschers Gemälde, die in der Bildfindung neben realen Orten und Personen oft Bezug auf antike und religiöse Motive nehmen, vor allem in den eher dem Symbolismus zuzuordnen Werken. In den Bildern schwingen neue Einstellungen zu den Geschlechtern mit. Nacktheit, die nicht allein auf Jugend und Schönheit reduziert ist, wird immer wieder dargestellt. Bemerkenswert sind die Frauenbildnisse, für die oft Oskar Zwintschers Frau Adele Vorbild war. Mit selbstbewusstem Blick schauen sie nach vorn, werden selbst nackt nicht um Objekt des männlichen Blicks. “Gold und Perlmutter” (1909) zeigt Adele als stolze Venusfigur, die, mit nichts als Schmuck bekleidet, sich stolz dem Betrachter präsentiert, ohne erste Alterungserscheinungen zu verstecken. “Gram” zeigt einen von Trauer bedrückten Mann über den nackten Leichnam seiner Frau. Eines seiner bekanntesten Bilder, “Bildnis einer Dame mit Zigarette” (1904), zeigt eine streng, fast herausfordernd schauende junge Frau.

Gold und Perlmutter (1909)
Gold und Perlmutter (1909)

Weltflucht und Moderne: Oskar Zwintscher in der Kunst um 1900 zeigt mehr als einnehmende Portraits und schöne Frühlingslandschaften, sondern präsentiert auch die Forschungsergebnisse eines vorausgegangenen Projekts. Der Besucher bekommt somit Einblicke in die vielseitige Maltechnik des Künstlers – zum Teil mit Röntgenblick, der die Komposition unter dem fertigen Bild preisgibt. Natürlich bringt die Ausstellung Informationen zum biografischen und kunsthistorischen Kontext zusammen, zu sehen ist so auch das zur Kriegszeit als Auftragsarbeit entstandene Bild “Der Sieger”, das mit seinem plumpen Symbolismus weniger gefällt. Ebenso ausgestellt sind Gemälde von Zeitgenossen wie Gustav Klimt, Ferdinand Hodler oder Paula Modersohn-Becker. Fotografien, Exponate zum Malwerkzeug Zwintschers sowie Arbeiten für Magazine komplettieren eine Schau, die man sich wirklich nicht entgehen lassen sollte.

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Weltflucht und Moderne: Oskar Zwintscher in der Kunst um 1900 ist bis zum 15.01.2023 im Albertinum zu sehen.

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