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Flucht aus Sin City: Der Spatzenkaiser von Thomas Podhostnik

/thomas-podhostnik-der-spatzenkaiser/Thomas Podhostnik kurzer Roman Der Spatzenkaiser erzählt von einem jungen Mann, der in einer dystopischen Wüstenstadt gestrandet ist und sich irgendwie durchschlagen muss. Von seinem Kumpel, den er auf der Reise begleitete, wurde er inzwischen verlassen. Auch seine Love Interest Michelle wird verschwinden. Bald irrt er durch eine dystopische Szenerie mit nichts als seinem Leben im Gepäck.

Der Spatzenkaiser ist ein fast elliptischer Text. Formal wie inhaltlich regiert die Reduktion in einem Setting des Exzesses. Protagonist Kaj lernte Lèon bei der Arbeit in der Fabrik kennen. Für Léon war es scheinbar nur ein kurzes Intermezzo als Fabrikarbeiter. Die beiden jungen Männer freunden sich an, gehen auf Reisen und Lèon verschwindet. Ebenso die Reisebekanntschaft Michelle und wenig später auch Kajs Reisepass und Kreditkarte.

Die ganze Reise über hatte Kaj sich gewünscht, ein Mädchen wie Michelle zu treffen. Jetzt war es passiert und er war nicht glücklich. Ihre Armut erinnerte ihn an seine eigene. Bis heute verstand er nicht, warum Léon ausgerechnet mit ihm auf diese Reise gegangen war. Vielleicht konnte ein reicher Mensch einen armen Menschen an seiner Seite besser ertragen (13).

Ohne Freunde, ohne Geld und ohne Pass irrt Kaj durch eine künstliche, dreckige und herzlose Stadt, die als fiktionales Las Vegas erkennbar ist. Kaj verteilt im Spiderman-Kostüm Flyer, wird verprügelt, verdurstet fast. Glücksritter und Pechvögel schenken sich nichts. Wo viel ist, muss auch wenig sein.

Die Reduktion betrifft nicht nur den Protagonisten, den Mittel und Freunde abhanden kommen. Auch der Text selbst spart vieles aus, zeichnet die Beziehung zwischen Léon und Kaj sowie Kaj und Michelle mit groben Strichen. Beide Nebenfiguren geistern mehr durch den Text, als wirklich präsent zu sein. Anspielungsreich und alptraumhaft gestaltet sich die äußere Handlung und das Setting. In den Superheldenkostümen stecken die ärmsten Schlucker, jederzeit bricht Gewalt aus. Orientierungslos schleift sich Kaj durch die Stadt.

Der Spatzenkaiser lebt, wie der im selben Verlag erschienene Text Gedeih und Verderb von seiner unheimlichen Atmosphäre. Doch während Greta Lauers Text sich wirkmächtig jeder Kategorisierung entzieht, geht Podhostniks kurzer Roman nicht den ganzen Weg: Das unheimliche, stimmungsvolle Setting und die dramatische Situation seines Protagonisten hätten von einer knackigeren Dramaturgie profitiert. Erschreckende Szenen generieren Spannung, doch oft verpufft die sich entwickelnde Dynamik in Rückblenden und Momenten der Introspektion. Eine Welt, wie sie Der Spatzenkaiser heraufbeschwört, lässt an Robert Rodriguez, Quentin Tarantino oder die hardboiled fiction Raymond Chandlers denken. All den guten Ansätzen zum Trotz wünscht man sich, Der Spatzenkaiser wäre fiebriger und mit noch mehr pulp fiction im Herzen erzählt.

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Der Spatzenkaiser von Thomas Podhostnik ist bei Luftschacht erschienen.

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