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Wiener Eigentümlichkeiten: Mein Lieblingstier heisst Winter von Ferdinant Schmalz

Mein Lieblingstier heisst WinterEs hängt was schief in der Alpenrepublik des Kanzler Kurz: Zumindest Mein Lieblingstier heisst Winter von Ferdinant Schmalz wie auch Ameisenmonarchie im Frühjahr und der dieser Tage erschienene Roman Salonfähig von Elias Hirschl zeichnen ein grausiges Bild der Wiener Gesellschaft: Opportunismus und Mauschelei regieren die Protagonisten dieser Bücher. Mein Lieblingstier heisst Winter ist der vielleicht radikalste Text dieser Gruppe, eine inhaltlich wie sprachlich vertrackte Satire über geheime politische und wirtschaftliche Machenschaften, in deren Zentrum sich unverhofft der treffend benannte Franz Schlicht wiederfindet.

Klimawandelleugner Franz Schlicht freut sich, denn er ist Eismann und Wien erlebt einen keuchend heißen Sommer. Das wird sein Jahr, denkt er sich, aber wenig später stolpert er in eine sinistere Geschichte politischer und wirtschaftlicher Machenschaften, an denen unter anderen eine zwielichtige Reinigungsfirma sowie ein Nazi-Weihnachtsbaumschuck sammelnder Ministrialrat beteiligt sind.

Diese Verstrickungen kommen freilich erst später. Seinen Anfang nimmt es mit einer skurrilen Bitte eines seiner Kunden: Schlicht liefert Doktor Schauer regelmäßig Rehragout. Dem älteren Herren läuft aber inzwischen die Lebenszeit davon. Unheilbar krank, will er selbst über sein Lebensende bestimmen und sich mit ein paar Schlaftabletten in seine Gefriertruhe legen. Schlicht wird von diesem Mann beauftragt, ihn eine Woche später – inzwischen verstorben – an einen anderen Ort zu bringen, damit man diesen dann schließlich auch finden möge. Zum vereinbarten Termin ist Schauer aber nicht mehr da, dafür dessen Tochter, mit der er sich auf die Suche nach der verlorenen Leiche macht. Es wird eine undurchsichtige Suche mit allerhand Verstrickungen verschiedenster Personen, auf die sich die Erzählung wechselnd fokalisiert. Den Durchblick zu bewahren fällt dem Leser dabei kaum leichter als Franz Schlicht, was durch den Erzählstil merklich erschwert wird. Mein Lieblingstier heisst Winter liest sich so:

Während der Schlicht nun ihr, der Tochter von dem Schauer, erzählt von all dem Rehragout, das er dem Vater zweichwöchtlich geliefert, weshalb ihm auch der Doktor Schauer diesen Schlüssel hat gegeben, damit, wenn er nicht da, dass immer dann ein Rehragout im Haus (30).

Der Roman folgt seinem ganz eigenen sprachlichen Rhythmus, einer durcheinander gekommenen Syntax, die den Leser stolpern lässt. Man kann – nicht ohne Frustration – fragen, warum sich Ferdinand Schmalz für diese sprachliche Gestaltung entschieden hat. Sie schafft auf jeden Fall Distanz zwischen Erzähler und Erzähltem, aber eben auch zwischen Leser und Text. Und da keine der hier auftretenden Figuren wirkliche Sympathieträger sind – auch Franz Schlicht sind kriminelle Energien nicht fremd – und die Handlung lange Zeit undurchsichtig bleibt, zeigt sich Mein Lieblingstier heisst Winter als störrischer Text. Man kann den Hut vor Schmalz ziehen, in seiner Erzählung keine Kompromisse zu machen und seinen Ideen, derer es in diesem kurzen aber komplexen Buch viele gibt, ihre ganz eigentümliche Form zu geben. Man muss es aber mögen und etwas Geduld mitbringen. Belohnt wurde der Dramaturg, der hier seinen ersten Roman vorgelegt, bereits mit einer Nominierung für die Longlist des Buchpreises. Warum auch nicht: Mein Lieblingstier heisst Winter ist zweifelsfrei ein anspruchsvolles literarisches Werk, eine satirische Zeitdiagnose voll komischer Charaktere, denen die Wirklichkeit so eklig erscheint, dass sie sich wahlweise der Askese hingeben, indem sich sich ins Koma versetzen lassen oder einmauern oder an mittelalterlichen Rollenspielen teilnehmen, während andere wiederum krumme Deals in Gang setzen, um ein paar Euro mehr zu kassieren. Man kann aber auch von dem stolpernden Sätzen genervt sein und das Cover am besten an Mein Lieblingstier heisst Winter finden.

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Mein Lieblingstier heisst Winter ist bei Fischer erschienen.

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