Nach der scharfzüngigen Ameisenmonarchie geht es in Romina Pleschkos zweitem Roman Offene Gewässer raus aus der Stadt und rein in die Gemeinde Liebstatt. Der Leser begleitet die Ich-Erzählerin Elfi vom Kindes- ins Erwachsenenalter. Schelmisch erzählt, ist Offene Gewässer das Portrait einer eigenwilligen Person und ihrer Suche nach Geborgenheit.
No happy Vibes: Lento Violento von Maria Muhar
Das 90er Jahre Revival dauert an: Die Wiederkehr vergangener Trends lässt vermuten, wir befinden uns in einem Loop. Symptomatisch dafür ist natürlich elektronische Musik, die ganz zentral auf Wiederholung fußt. Maria Muhars Roman Lento Violento ist gleich nach einer Stilrichtung der Zeit benannt, spielt aber im Österreich der Ibiza-Affäre. Alex, Protagonistin des Texts, ist besessen von Eurodance, hat aber ziemlich wenig Spaß. Ohnehin: Lento Violento ist ein Text, der sich aus Zitaten der Zeit zusammensetzt, aber nichts von ihrer Ekstase birgt.
Koordinaten einer Familie: Erbgut von Bettina Scheiflinger
Der moderne Mensch ist kontinuierlich damit beschäftigt, sich selbst zu finden. Die Ich-Erzählerin in Bettina Scheiflingers Debütroman Erbgut sucht die Selbstverortung in der bewegten Geschichte ihrer Familie. Fragmentarisch und doch mit Weitwinkelobjektiv entsteht Seite für Seite ein Portrait, das mehr abbildet, als die eigene Sippe.
Mein sehnsüchtiges Herz: Heute graben von Mario Schlembach
Mario Schlembach ist mit Heute graben eine von morbider Romantik überquellende Autofiktion gelungen, die – großes Kompliment an den Verlag Kremayr Scheriau – äußerlich betörend schön ist und innerlich die dunkle Magie unerwiderter Liebe mit Pathos und Selbstironie beschwört.
In dir verknotet: Atemhaut von Iris Blauensteiner
Edin ist jung und schon kaputt: In der Lagerlogistik hat er sich Anfang 20 den Rücken ruiniert. Er hält nicht mehr mit, wird entlassen. Seine Freundin steigt weiter auf, eine Einheit bilden sie nur noch in der virtuellen Welt eines Computerspiels. Atemhaut erzählt von einem Leben, das den Halt zu verlieren droht. Iris Blauensteiner macht Edin zum Avatar des Lesers, ein formaler Kniff, der über die Seiten des Buches reicht – ein immersiver Lesegenuss, der zeigt, was Literatur alles kann.
Schlechte Menschen: Ameisenmonarchie von Romina Pleschko
Romina Pleschkos Debütroman Ameisenmonarchie nimmt uns mit in ein Wiener Wohnhaus. Der satirische Ensemble-Roman begleitet episodenhaft die Leben von fünf Bewohnern des Hauses. Der Blick hinter die Tür entblättert die banalen Leben durchweg unsympathischer Menschen. Es offenbart sich ein ziemlich zynisches Menschenbild, das den Menschenekel glücklicherweise mit bissigem Humor auffängt.
Get crazy in this town: Wenn rot kommt von Petra Piuk und Barbara Filips
Wenn rot kommt: Wer jetzt an den Weihnachtsmann denkt, liegt gar nicht mal so falsch. Doch hat der, öhm, Roman, den uns die Autorin Petra Piuk und Fotografin Barbara Filips vorlegen, nur jahreszeitlich mit dem Fest der Liebe zu tun. Rot spielt hier auf rot und schwarz wie in Roulette an. Es ist eine Las Vegas-Geschichte, erzählt in Worten und rot gefilterten Schwarz-Weiß-Fotografien, die so ziemlich genau das liefert, was man sich unter einer Las Vegas-Geschichte so vorstellt.
Düstere Aussichten: Wir verlassen Kinder von Lucia Leidenfrost
Dorfkinder, die sich selbst überlassen werden: Dieses Szenario wird von jungen, deutschsprachigen Schriftstellerinnen in letzter Zeit öfter entworfen. Auf Karoline Menges Warten auf Schnee und Verana Güntners viel beachteten Roman Power folgt nun Lucia Leidenfrost mit Wir verlassenen Kinder. Es ist nicht nur das Setting – ein unbestimmter Ort zu einer unbestimmten Zeit -, den die Texte gemein haben. Auch die soziale Kälte, die durch diese elternlosen Gemeinschaften weht, eint sie.