Nicht tot zu kriegen, aber ziemlich nah dran: Der Zombie-Hype. The Walking Dead fährt jedenfalls längst nicht mehr die Quoten von vor fünf Jahren ein und auch wenn ich eisern am Ball bleibe, kann man das eigentlich nur noch als hate watching bezeichnen. Einer der coolsten Typen unter den Autorenfilmern, Jim Jarmusch, hat mit The Dead Don’t Die trotzdem einen Zombiefilm gedreht – wobei man das Genre hier in Anführungszeichen setzen sollte. Es ist ein typischer Jarmusch geworden – eigen, ironisch und leider ziemlich spannungsarm.
Ein Haus auf dem Land/Eine Wohnung in der Stadt von Jan Brandt
Die Frage, wie wir Leben wollen, ist unausweichlich mit dem Ort dieses Lebens verwoben. In zunehmendem Maße ist dieser Ort die Stadt. Während dort die Mietspiegel stetig steigen und man sich fragt, wer sich das alles überhaupt noch leisten kann, haben Dörfer fernab der Speckgürtel mit Überalterung und dem Fehlen der Annehmlichkeiten moderner Lebenswelten zu kämpfen – jeder, der in Brandenburg mobil ins Internet will, weiß, was ich meine. Jan Brandt hat mit Ein Haus auf dem Land/Eine Wohnung in der Stadt zwei Bücher in einem geschrieben – einmal erzählt er von seinem Leben in Berlin und einmal von seiner ostfriesischen Herkunft und dem Kampf um den Erhalt des Hauses seines Urgroßvaters.
Verdrehte Köpfe: Trennungen, Verbrennungen von Helmut Krausser
Zwischen Wannsee und Plattenbau hat Helmut Krausser mit Trennungen, Verbrennungen ein äußerst amüsantes Kaleidoskop des Berliner Lebens geschrieben. Menschen begegnen und verlieren, belügen und betrügen sich. Und während sie durch scheiternde Beziehungen stolpern, verirren sie sich auch in einer verunsicherten Gesellschaft, in der tradierte Normen zunehmend aufweichen,- ohne, dass man ihnen vollends entkommen kann.
Unsicherheit ist das Leben: Violet Street von Local Natives
Als ich die Band Local Natives zum ersten Mal hörte, saß ich in der Bibliothek über meiner Magisterarbeit. Das Debüt Gorilla Manor lebte vom großäugigen Sturm und Drang der Jugend und dem dreiteiligen Falsetto-Gesang, der die Band bis heute auszeichnet. Ich schrieb damals über postmoderne Adoleszenzromane, Gorilla Manor, das ich seitdem eigentlich nicht mehr hören kann, war unter anderen mein Soundtrack, der mich durch schreibende Stunden begleitete. Die Adoleszenz ist heute vorbei – auch für Local Natives. Man ist im Leben angekommen, Mitte 30. Doch ist man jemals wirklich da? Das vierte Album der Band, Violet Street, erzählt in elf eingängigen Popsongs davon, dass man auch nach den vermeintlichen Meilensteinen des Lebens ein Reisender bleibt.
Harter Tobak: hell/dunkel von Julia Rothenburg
Julia Rothenburgs zweiter Roman hell/dunkel ist eine ziemlich düstere Angelegenheit: Zwei sich entfremdete Geschwister müssen damit fertig werden, dass ihre Mutter an Krebs stirbt und kommen sich dabei zu nah. Viel zu nah. Es ist ein unangenehm zu lesender Text.
Ein seltsamer Regen: Warum die Vögel sterben von Victor Pouchet
In der Normandie regnet es tote Vögel und in Paris interessiert es keinen: Abgesehen von Victor Pouchets Protagonisten in seinem Debütroman Warum die Vögel sterben. Der ziellos durch sein Leben driftende Promotionsstudent, der mit seinem Erschaffer zumindest den Nachnamen teilt, will dem unheimlichen Phänomen auf den Grund gehen. Da sich der Vogelregen in seiner Heimatstadt ereignete, fühlt er sich persönlich betroffen. Die Reise führt ihn in die eigene Kindheit.
“Wir sind ja auch Menschen hier draußen”: Die kennen keine Trauer von Bjarte Breiteig
Der Wiener Luftschacht Verlag hat mit Die kennen keine Trauer von Bjarte Breiteig einen äußerst ökonomisch erzählten Band im Programm. Die sieben Erzählungen begnügen sich mit 80 Seiten. Viel zu kurz, denkt man. Aber das heißt ja nichts Schlechtes: Die guten Erlebnisse sind schließlich immer viel zu schnell vorbei. Das bedeutet allerdings nicht, dass Die kennen keine Trauer von schönen Momenten erzählt.
Flucht aufs Land: Alte Sorten von Ewald Arenz
Ein Buch für Sommer- und Landlust: In Alte Sorten lässt Ewald Arenz einen in Schieflage geratenen Teenager aufs Land fliehen und dort bei einer enigmatischen Bäuerin unterschlupf finden. Eine ungewöhnliche Freundschaft entsteht, bei der beide die Krisen ihres Lebens konfrontieren müssen.
Das Flüstern des Apfelbaums: Von Pflanzen und Menschen im DHMD
Pünktlich zur vollen Blüte des Frühlings startet im Deutschen Hygiene-Museum Dresden eine neue Sonderausstellung, die von Pflanzen und Menschen erzählt (nur konsequent, nachdem die Beziehung zwischen Mensch und Tier letztes Jahr aufgearbeitet wurde). Ein hochaktuelles Thema: Schon lange am Gären, erreicht der öffentliche Diskurs um den Klimawandel so langsam den Siedepunkt – die Fridays for Future Demonstrationen zeigen es an ebenso wie die Umfrageergebnisse der Grünen.
Im Spiegel der Erinnerungen: Erstaugust von Lisa Elsässer
Ich bin immer wieder verzückt von den sprachlichen Qualitäten schweizerischer Erzählliteratur. Auch wenn das gesprochene Deutsch der Eidgenossen mir unverständlich bleibt, auf dem Papier kommt es klar wie Gebirgsquellwasser und bildreich wie die schönsten Alpenpanoramen. Auch Lisa Elsässer findet in ihrem Erzählband Erstaugust immer wieder schöne Formulierungen, vermag es dabei aber nicht, ihrem Material die nötige Dringlichkeit zu verleihen. Erstaugust ist eher ein kleines Rinnsal, das gemächlich vor sich hin plätschert.