Romina Pleschkos Debütroman Ameisenmonarchie nimmt uns mit in ein Wiener Wohnhaus. Der satirische Ensemble-Roman begleitet episodenhaft die Leben von fünf Bewohnern des Hauses. Der Blick hinter die Tür entblättert die banalen Leben durchweg unsympathischer Menschen. Es offenbart sich ein ziemlich zynisches Menschenbild, das den Menschenekel glücklicherweise mit bissigem Humor auffängt.
“Einen Kern, den hast du nicht?”: Kurzes Buch über Tobias von Jakob Nolte
Kurzes Buch über Tobias von Jakob Nolte ist ein Roman, über den man viele Worte verlieren könnte. Es ist die fiktive Biografie eines ganzen Lebens, erzählt auf 231 Seiten in achtundvierzig Kapiteln, fragmentarisch und detailversessen zugleich. Es ist ein wundersames wie wunderbares Buch, in Inhalt und Form so unberechenbar rätselhaft, so witzig und traurig wie das Leben selbst.
Dies Land ist nicht dein Land: How Much of These Hills Is Gold von C Pam Zhang
Der amerikanische Westen ist heute eher der Ort, an dem Technologie-Träume wahr werden, mit an den Horizont reichenden Großstädten, zusammengehalten mit einem endlosen Gewirr aus Highways. Doch parallel zu diesem hochtechnologisierten Westen existiert noch der mythische Westen, eine Erzählung, die essentiell ist für Amerikas Verständnis von sich selbst. How Much of These Hills Is Gold von C Pam Zhang erzählt die Geschichte vom großen Goldrausch aus anderen Augen und bereichert den Corpus revisionistischer Western um eine Perspektive, die in die Geschichtsschreibung kaum bzw. spät aufgenommen wurde.
Lynchburg Lemonade und Erdbeer Daiquiri: High Times for Loners von BRTHR
Das Stuttgarter Duo BRTHR hat mir im zurückliegenden Jahr das einzige wirkliche Konzerterlebnis geschenkt, als die beiden im Rahmen des Palais Sommer spielten. Beinah psychedelisch klingende Americana Nummern schallten in den sommerlichen Himmel, ein eigener Sound, der sofort gefangen nahm. Mit High Times for Loners erschien Ende letzten Jahres das dritte Album, das einen abwechslungsreicheren, volleren Klang zeigt, als die ersten beiden, durch träumerische Langsamkeit gekennzeichneten LPs.
Mit Gammelhai und Cowboyhut: Kalmann von Joachim B. Schmidt
Ein etwas anderer Krimi in einem etwas anderen Land: Kalmann ist der selbsternannte Sheriff von Raufarhövn, einem kleinen Kaff irgendwo in Island. Als Robert McKenzie, so etwas wie der Wirtschaftsmogul des sterbenden Fischerdorfes, spurlos verschwindet, kommt Aufregung ins verschlafene und klirrend kalte Örtchen. Ungewollt im Zentrum des Trubels steht Kalmann – der uns auf seine ganz eigene Art der Ortsbegehung mitnimmt.
Houston hat ein Problem: LOT von Bryan Washington
Bryan Washingtons Erzähldebüt LOT hat den Dylan Thomas Preis abgestaubt und nimmt den Leser mit in ein Amerika, das deutschen Lesern wie ein Dritte-Welt-Land vorkommen wird. Willkommen in den Arbeitervierteln der texanischen Metropole Houston.
Durch verträumte Ohren gehört: What Does That Mean von Map.ache
Tja, was hat das alles zu bedeuten – What Does That Mean? So eine Pandemie bedeutet zumindest schon einmal viel Heimarbeit. Und das trifft Musiker natürlich ganz besonders – das Geld verdient man schließlich auf der Bühne. Dafür hat die Heimarbeit Früchte getragen und uns das Jahr des Virus in diesem Jahr bereits jede Menge (gute) Musik beschert. Den Leipziger Produzenten Map.ache kann man gern zu den gute-Musik-Lieferanten rechnen. Sein drittes Album – eine Doppel-LP bei Giegling – ist ein suchendes Hören abseits der Tanzfläche geworden und passt perfekt in die Zeit.
Meine drei besten Bücher des Jahres 2020
Urgh, was für ein Jahr. Aber wenn es etwas gibt, dass man ohne Einschränkungen in gewohnter Form machen konnte, dann lesen. Und ich muss sagen: Es war ein gutes Lesejahr, überraschend auch. Denn ich kann mich nicht daran erinnern, in der Vergangenheit derart viele Erzählbände in den Programmen deutschsprachiger Verlagshäuser gesehen zu haben. Überraschend ist auch, zumindest für mich persönlich, dass ich keinen dieser Bände zu meinen drei besten Büchern dieses Jahres gewählt habe.
Get crazy in this town: Wenn rot kommt von Petra Piuk und Barbara Filips
Wenn rot kommt: Wer jetzt an den Weihnachtsmann denkt, liegt gar nicht mal so falsch. Doch hat der, öhm, Roman, den uns die Autorin Petra Piuk und Fotografin Barbara Filips vorlegen, nur jahreszeitlich mit dem Fest der Liebe zu tun. Rot spielt hier auf rot und schwarz wie in Roulette an. Es ist eine Las Vegas-Geschichte, erzählt in Worten und rot gefilterten Schwarz-Weiß-Fotografien, die so ziemlich genau das liefert, was man sich unter einer Las Vegas-Geschichte so vorstellt.
Das flüchtige Glück: Grundlagenforschung von Anke Stelling
Anke Stellings Erzählband Grundlagenforschung taucht ab in die Kampfzone heterosexueller Paarbeziehungen, in denen ihre Protagonistinnen das Glück jagen und sofort misstrauisch werden, wenn es dann doch mal klappt. Es sind vierzehn schwungvoll erzählte Texte, die die Melancholie verkorkster Liebschaften humorvoll auflösen.