Wir Propagandisten – der Titel Gabriel Wolkenfelds erstmals 2015 veröffentlichten Debütromans, der nun neu vom Albino Verlag verlegt wird, ist eine Anspielung an die im Laufe des letzten Jahrzehnts in Russland verabschiedeten Gesetze, die es strafbar machen, affirmativ über Homosexualität zu sprechen. Wer offen schwul lebt, ist in Putins autokratischem Staat gewissermaßen ein Propagandist. Erzählt wird, basierend auf den eigenen Erfahrungen des Autors, von einem deutschen Mann, der als Fremdsprachendozent ein Jahr in Jekaterinburg lebt.
Meine drei Platten des Jahres 2023
Spotify Wrap up geht nicht – leider keinen Account. Aber eine umfangreicher werdende Plattensammlung, die in diesem Jahr nicht nur um den einen (Electric Wizards Dopethrone) oder anderen Klassiker (The Haxan Cloaks Excavation) bereichert wurde, sondern auch einige überzeugende Neuerscheinungen aufnahm. Die besten drei in beliebiger Reihenfolge sind:
Die 3 Bücher des Jahres 2023
Es zeichnet sich ein Trend ab: Wie schon im Vorjahr beschäftigen sich viele literarische Werke mit ökologischen Fragen. Ob Ein heißes Jahr von Philippe Djian oder Eva von Verena Kessler in diesem Jahr oder die weiterhin unerreichte Joy Williams mit Harrow im vorherigen Jahr: We are fucked, scheinen uns diese Autoren im Hinblick auf das Klima zu sagen. Weitere drängende Themen auf dem Papier (oder Reader) sind Arbeit sowie Regionalität. Es folgt der literarische Jahresrückblick mit den meines Erachtens besten Büchern 2023.
Happy Endings: 24 Wege nach Hause von Jenny Fagerlund
Zeit für Festtagsstimmung: In Jenny Fagerlunds inzwischen zweiten Weihnachtsroman 24 Wege nach Hause ist Petra mit ihrer Nichte auf dem Weg in das beschauliche, südschwedische (und fiktive) Dorf Nyponviken. Es war ein hartes Jahr: Ihre große Schwester Alice ist vor einigen Monaten an Krebs gestorben, ihr Friseursalon ist pleite und die Wohnung konnte sie im teuren Pflaster Stockholm auch nicht mehr halten. Es gibt da aber eine Wohnung in Nyponviken, die ihren Eltern gehört und von der sie bisher nichts wusste. Es ist nicht das letzte Geheimnis, das gelüftet werden wird.
Im Grunde sind wir alle Monster: Ein heißes Jahr von Philippe Djian
Wir schreiben das Jahr 2030. Gut zehn Jahre ist es her, dass das Mädchen mit den Zöpfen die Klimarevolution lostreten wollte. Es ist trotzdem alles den Bach runtergegangen; in Schweden baut man inzwischen Wein an. Im Sommer regnet es kaum, dafür dann unaufhörlich, wenn es einmal losgeht. Greg, Hauptfigur in Ein heißes Jahr des Franzosen Philippe Djian, zählt zu den Männern, die an der Misere teilhaben, denn er arbeitet für ein Labor, das Untersuchungsergebnisse für den Hersteller eines potenziell tödlichen Pestizids herstellt. Die Begegnung mit einer Aktivistin bringt seine Welt aus dem Gleichgewicht.
Stützrädchen beim Klarkommen in der Welt: Nachts sind alle Katzen von Nina Heller
Nina Hellers Debüt Nachts sind alle Katzen wird von dem Paratext Softhorrorstories begleitet. Gruselig wird es aber selten, die Elemente des Horrorgenres werden wenn überhaupt nur wie eine Prise Salz in diese Texte gestreut, die sich mit einem ganz anderen Horror auseinandersetzen: Des eigenen Körpers, der Einsamkeit und Entfremdung des postmodernen Lebens. Referenziell und pfiffig erzählen diese neun Geschichten zwischen Melancholie und Komik von jungen Frauen und den Absurditäten des Alltags.
Hygge Feelings: Unsere Stimmen bei Nacht von Franziska Fischer
Heimelich sitzt man im Wollpullover mit einer heißen Schokolade am regenbetröpfelten Fenster und schaut den Blättern beim Färben und Fallen zu: Es macht den Eindruck, dass Franziska Fischer mit ihrem zweiten Roman Unsere Stimmen bei Nacht dieses herbstliche Hyggefeeling in Romanform versprachlichen wollte. Allerdings erzählt der Roman ein ganzes Jahr in einer alten Berliner Villa, die das Heim einer ungewöhnlichen WG ist.
Alter weißer Mann: Biloxi von Mary Miller
Die amerikanische Schriftstellerin Mary Miller wusste zuletzt mit dem Storyband Always Happy Hour zu begeistern, in dem es überwiegend um Generation-Y Frauen ging, die mit ihren Leben hadern. In Biloxi wendet sich Miller einem 63-jährigen Amerikaner zu, der per Zufall zu einem Hund kommt. Er kommt im richtigen Augenblick, denn Louis McDonald Jr. scheint dauerhaft auf dem Abstellgleis angelangt zu sein.
Frauen in den Straßen: Mirmar von Josefine Soppa
In Mirmar von Josefine Soppa erzählt eine 32-Jährige von ihrem Leben in einer prekären Arbeitswelt und von ihrer Mutter, die plötzlich verschwindet. Es ist ein Text ohne Namen, ohne Männer und einer geheimnisvollen Bewegung – oder Bewegungen? – von Frauen. Mirmar ist ein nachdenklicher, auf Feminismus und Klassizismus fokussierter Roman – und ziemlich schwere Kost.
Warum die Giraffe nicht in Ohnmacht fällt von Katherine Rundell
Putziges aus der Welt der Tiere: Warum die Giraffe nicht in Ohnmacht fällt von Katherine Rundell ist ein Band unheimlich unterhaltsamer Essays, der uns Staunen lässt, zum schmunzeln bringt und melancholisch macht: Voller kurioser Geschichten über den missverständlichen Blick, den der Mensch auf die Welt der Tiere wirft und den Sinn für das verstellt, was an ihnen wahrlich bemerkenswert ist. Bemerkenswert ist auch die Gestaltung des Buches: Wunderschön illustriert und mit Gold sprenkeln eingebunden, verdient es einen Platz in jedem Buchregal.