Hunter White ist dabei, die Big Five der Großwildjagd voll zu machen, als ihm Wilderer in die Quere kommen und “sein” Nashorn schießen. Er hat einen höheren sechsstelligen Betrag für die Jagdlizenz hingeblättert und steht nun ohne Trophäe da. Doch Van Heeren, sein Freund und gewissermaßen Jagdrevierleiter, macht ihm dann ein Angebot: Wie wäre es mit den Big Six – der Jagd auf Menschen? Gaea Schoeters’ Trophäe ist ein hoch spannender, komplexer Roman, der Joseph Conrad und Ernest Hemingway ins postkoloniale Zeitalter holt.
Alles nur geklaut? Yellowface von Rebecca F. Kuang
Juniper ist neidisch auf Athena: Während ihre einstige Yale-Kommilitonin der bildhübsche, asiatisch-amerikanische Darling des Literaturbetriebs ist, war Junipers autobiografischer Debütroman ein Rohrkrepierer. Doch dann, am Ende einer durchzechten Nacht, stirbt Athena und Juniper klaut ihr neuestes Manuskript. Anstatt es dem Nachlass zu übergeben, beansprucht sie den Text für sich – und landet einen Bestseller. Doch Zweifel kommen auf: Warum sollte eine weiße Amerikanerin einen Roman über chinesische Arbeiter während des Ersten Weltkriegs schreiben? Rebecca F. Kuangs Yellowface ist ein rasanter Literatur-Thriller über Autorenschaft, die sozialen Medien und die Frage, wer über wessen Leid schreiben darf.
Kalte Leidenschaft: Arctic Mirage von Terhi Kokkonen
Der Anfang ist das Ende: Auf der ersten Seite des Debütromans von Terhi Kokkonen hat Karo ihren Mann ermordet, der – immerhin – in den letzten Augenblicken seines Lebens doch noch die Polarlichter sehen darf. Das Paar hat einen Urlaub in Lappland gemacht und ist nach einem Unfall in der Hotelanlage Arctic Mirage gestrandet. Der Roman erzählt in leicht beklommener Atmosphäre rückblickend, wie es zu der Tat kam.
Kinder des postsozialistischen Ostens: Weltalltage von Paula Fürstenberg
Ein raffinierter Roman über Freundschaft, Krankheit und das Aufwachsen im postsozialistischen Osten: Paula Fürstenbergs Weltalltage ist ein Highlight des literarischen Frühjahrs, in dessen Zentrum eine kriselnde Freundschaft steht. Dabei entfaltet sich nicht nur ein Portrait der Ich-Erzählerin und ihres besten Freundes, sondern auch des Aufwachsens im Post-Wende-Osten.
Der absteigende Ast: Tahara von Emanuel Bergmann
“Marcel Klein [war] im Grunde nur ein Mensch, der die Kunst des Glücklichseins nie erlernt hatte” (5), stellt uns Emanuel Bergmann den Protagonisten seines am Rande der Filmbranche spielenden Romans Tahara vor. Vielleicht wird er das mit dem Glück nie lernen, denn er hat sein halbes Leben schon gelebt, eine Scheidung hinter sich und einen Job als Filmkritiker, der ihm nicht mehr alle Rechnungen zahlt. Etwas Licht – und Drama – kommt in sein Leben, als er der melancholisch-schönen Héloïse begegnet. Deren Name setzt sich laut Wikipedia übrigens “aus den Elementen heil „Glück“, „Gesundheit“, „heilig“ und víđ „weit“, „getrennt“, „entfernt“ zusammen”.
Verhungern mit vollem Bauch: Content von Elias Hirschl
Mit gerade einmal 30 Jahren veröffentlicht der Österreicher Elias Hirschl mit Content seinen bereits vierten Roman. Wie die schon überaus gelungene Polit-Satire Salonfähig (2021) schreibt er mit scharfer Feder und absurdem Humor über den Horror der Gegenwart: In Content erzählt die namenlose Protagonistin von ihrer sinnbefreiten Arbeit in einer rätselhaften Content Farm während die Welt um sie herum auseinanderfällt.
Vorwärts im Kreis: The Bullet Swallower von Elisabeth Gonzales James
Elisabeth Gonzales James ist gesegnet mit den zwei Talenten, aus denen wahrlich bemerkenswerte Bücher wachsen: Eine wilde Imaginationskraft und erzählerisches Gespür. Basierend auf ihrer eigenen Familiengeschichte in der Mexikanisch-Texanischen Grenzregion, ist The Bullet Swallower eine zeitumspannende Tour de Force, die Elemente aus Cervantes Don Quixote und Cormac McCarthys Blood Meridian mit einer Prise Magischem Realismus zu einem Western vermengt, der mitreißend von generationaler Schuld, Gewalt und Erlösung erzählt.
Dunkles Gefühl vom Ende der Jugend: Der Hirtenstern von Alan Hollinghurst
Der Brite Edward Manners kommt in einer Stadt in Flandern mit “dem dunkleren Gefühl, dass [er] das Ende der Jugend längst erreicht hatte “(12) an. Der Blick in den Spiegel enthüllt einen “bebrillten molligen Englischlehrer “ (37). Der hadernde Schriftsteller im Zentrum von Alan Hollinghursts Der Hirtenstern wird in einer flämischen Stadt als Tutor zwei Jungen unterrichten. Einer davon, der gut situierte, 17-jährige Luc, nimmt ihn mit seiner ganz eigenen Schönheit gefangen. Ein obsessives Wandern durch die unbenannte, mittelalterliche Stadt nicht unähnlich Thomas Manns Tod in Venedig nimmt seinen Lauf.
Die Zukunft der Vergangenheit: The Last Animal von Ramona Ausubel
Wir leben im Zeitalter des Artensterbens, erinnert uns The Last Animal von Ramona Ausubel
im ersten Satz. Der Roman ist eine Familien-Odyssee, die die Wissenschaftlerin Jane und ihre zwei Töchter im Teenager-Alter rund um den Globus führt. Im Rückspiegel: Der Tod des Familienvaters. In der Glaskugel: Die Wiederauferstehung des Mammuts. Es ist ein amüsanter, zeitweise absurder, aber auch gefühlvoller Text über Verlust, Zusammenhalt und die Zukunft.Baggersee in Brandenburg: The Three of Us von Richard Kranzin
Man kann die Überschrift durchaus als double entendre verstehen: Die zwei jungen Männer Malik und Jakob machen einen Campingausflug in Brandenburg. An einem See erspäht sie ein Dritter, Friedrich. Aus der Beobachtung wird eine sinnliche Begegnung fernab des Berliner Großstandlärms. Richard Kranzins Bildband The Three of Us entblättert in stilvollen Schwarzweiß-Fotografien die Schönheit der Natur und seiner Motive, ohne Worte entfaltet sich ein zeitloses narrativ ungezwungener Jugend.