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Wenn der Linienbus falsch abbiegt: Ans Meer von René Freund

Ans Meer von René FreundEs ist nie zu spät, um im Leben eine andere Ausfahrt zu nehmen: In René Freunds neuem Roman Ans Meer lässt sich der in einem monotonen Leben gefangene Linienbusfahrer Anton von seiner üblichen Route abbringen. Die krebskranke Clara will ein letztes Mal das Meer sehen – und er soll sie fahren. Es ist eine holprige, aber unterhaltsame Fahrt.

Im ländlichen Österreich fährt Anton jeden Tag dieselbe Strecke. Als Kind war es immer sein Traum, Busfahrer zu werden. Jetzt, anfang vierzig, ist der Traumberuf nicht mehr als eine Routine, die er gewissenhaft, aber seufzend hinter sich bringt.

Als ihn ein Junge wegen Körperverletzung anzeigt, den er wegen aggressiven Verhaltens zwei Wochen vor der eigentlichen Handlung des 139-Seiten kurzen Romans aus dem Bus schmiss, droht der Jobverlust. Das gibt dem in eine Sinnkrise geratenen Mann auch neue Handlungsmöglichkeiten. Eigentlich erstickt das Schwergewicht seine Sorgen mit Butterbrezeln, jetzt bietet sich unverhofft ein Abenteuer: Die sterbenskranke Clara überredet ihn, sie und ihre Tochter Annika ein letztes Mal an die Adria zu bringen. Und als wäre das des Dramas noch nicht genug, droht die lange Zeit aus sicherer Distanz angehimmelte Nachbarin Doris an einen anderen Mann verloren zu gehen.

Und so biegt Anton an der Endhaltestelle seiner Linie auf neue Wege ein. Neben Clara schließen sich ein paar Schüler der Reise an. Deren Eltern sind über diese Entwicklung natürlich wenig erfreut. Die Fahrt ans Meer gerät zu einem Wettlauf mit der Polizei.

Ans Meer ist ein kurzer, vergnüglich zu lesender Roman, der eine kleine Erinnerung daran ist, dass unsere Zeit endlich und das Warten auf eine bessere Zeit vergebens ist, wenn man nichts unternimmt, um sie herbeizuführen. Doch die Reise führt auch über einige Holpersteine: Ohne Frage schwungvoll erzählt, tut sich René Freud besonders am Anfang der Erzählung etwas schwer. Im zweiten von den insgesamt 55 Kapiteln führt er seinen Protagonisten gleich zwei Mal auf einer Seite als “Anton, der Busfahrer” ein. Soll diese Dopplung auf die Monotonie seines Alltags hinweisen? Wenn ja, ist sie überflüssig: Denn auf der folgenden Seite wird die Routine des Mannes leider recht phrasenhaft weiter ausgeführt: “Jede Fahrt war zwar irgendwie anders, aber jede Fahrt war auch irgendwie gleich.” Auch sonst bemüht der Autor einige Klischees, um seine Erzählung in Gang zu bekommen: Als würde er eine Liste abhaken, wird die Liberalisierung des öffentlichen Nahverkehrs nebenbei angeprangert, Stadtkinder werden als blass und anders als jene aus dem Dorf beschrieben und Doris, die ihren geliebten Vater früh verlor, gerät immer an die falschen Männer – und nicht an den lieben Anton. Das ist schade. Denn die bunte Mischung aus Charakteren, mit der Ans Meer aufwartet, wirkt zwar liebenswert, aber leider ziemlich zweidimensional.

Auch die Wiedergabe gesprochener Sprache gerät zuweilen etwas hölzern. Gleich auf der ersten Seite lässt Freund Doris frustriert auf das Lenkrad ihres defekten Autos schlagen, “bis es richtig wehtat. ‘Aaahhh”, brüllte sie”, beschreibt Freund wenig originell den Vorgang, als würde er eine Sprechblase in einem Comic texten.

Trotz dieser stilistischen Schwächen, über die man im Verlauf der temporeichen Handlung mehr und mehr hinwegsieht, bleibt Ans Meer unterm Strich ein unterhaltsamer Roman, der auch gar nicht mehr sein will, als er letztlich ist: Ans Meer ist ein sommerlicher Lesequicke für einen Nachmittag am Strand.

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Ans Meer ist aktuell in erster Auflage als Hardcover bei Deuticke erhältlich.

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