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Hundert Arten der Stille: Der Inselmann von Dirk Gieselmann

Der Inselmann von Dirk GieselmannEin Junge und seine Insel, die Welt als gefühlloser Ort: Dirk Gieselmanns kurzer Roman Der Inselmann ist ein atmosphärisch dichter, existentialistischer Text. In weniger Seiten führt er durch die Widrigkeiten eines ganzen Lebens, erzählt von Resilienz, von Eigensinn und Einsamkeit, von Gesellschaft und Staat.

Familie Roleder steht in der Kälte am Ufer eines großen Sees. Hinter ihnen liegt die Stadt, in der es zum Leben nicht mehr gereicht hat. Vor ihnen Wasser, darin, eine kleine, unbewohnte Insel. Hier findet Hans, einziges Kind der Familie, seinen Ort in der Einsamkeit, fernab von den Bullies der Stadt. Es ist ein beschauliches Leben, ein karges Leben.

Er liebte ihn, das schon, wie auch die Mutter. Ihr Sohn zu sein aber, das liebte er nicht.
[…]
Der Vater hatte nie gelernt, sich mitzuteilen: Er war ein sprachloses Kind, jetzt war er ein sprachloser Mann. Ein trauriges Kind, ein trauriger Mann: Er wollte nicht hier sein, auch nicht irgendwo sonst (24).

Die einzige Liebe, die Hans empfängt, kommt vom herrenlosen Inselhund. Doch bald ist es mit der Einsamkeit, in der sich Hans so gut eingefunden hat, vorbei. Er muss zur Schule. Und dort will er nicht sein. Er hat dort nur einen Freund, Kalle, der ihm aber auch nicht hilf, als der Schulschläger Hans grundlos verprügelt. Es kommt noch schlimmer: Er schwänzt daraufhin die Schule, sodass er alsbald in eine Institution gebracht wird, wo harte Arbeit und emotionale Kälte regieren. Wird er jemals wieder zurück zu seiner geliebten Insel finden?

Alle, die kamen, auf der Insel lebten und starben, waren ihr so gleich wie der Sand, den der Wind zu ihr trägt (74).

Der Inselmann ist ein sprachmächtiger und doch stiller Text. Er funktioniert weniger über seine Handlung als über die Bilder, die er evoziert und die eine entrückende, zugleich kalte wie warme Atmosphäre schüren. Der Text schildert eine Welt ohne intrinsischen Sinn und eine Gesellschaft von Menschen, die ebenso wenig Sinn stiftet. Und doch ist der Text nicht nihilistisch, weil Hans in seinem Eigensinn und seiner Unschuld nicht an der rauen, gefühllosen Welt, die ihn umgibt, bricht. Ein Kleinod.

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Der Inselmann ist bei Kiepenheuer & Witsch erschienen.

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