Ich muss gestehen: Eine innere Hibbeligkeit überkam mich, als ich auf den Kanälen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sah, wie man die Hängung von Edward Hoppers „Morning Sun“ bewarb. Kaum ein Maler vermochte es, mit so wenigen Details so viel zu erzählen. Aber wie kommt ein Modernist eigentlich zu den Alten Meistern? Es ist nicht die einzige Frage, die die Ausstellung aufwirft.
Edward Hopper. Die innere und die äußere Welt würde man am ehesten im Albertinum, der Heimat für bildende Kunst seit der Romantik, vermuten. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden machen die auf dem ersten Blick kuriose Entscheidung, ihn im Zwinger bei den Alten Meistern zu hängen aber plausibel. So erfährt der Besucher, dass Hopper während Reisen nach Paris und Amsterdam Inspiration in der Kunst Manets und Rembrandts fand. In dieser Hinsicht würde sich Hopper wahrscheinlich freuen, dass er nun in direkter Nachbarschaft zu Letzterem hängt – die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden haben ja einige Werke des niederländischen Meisters an den Wänden. Ein weiteres Argument für die Unterbringung bei den Alten Meistern ist darüber hinaus in den Gemälden selbst zu finden – es ist schließlich realistische Malerei, die wenig von den Experimenten der Moderne in sich trägt. Zugleich sind diese Werke natürlich zutiefst modern auf inhaltlicher Ebene – denn kaum ein Künstler vermochte es wie Hopper, die Einsamkeit des Menschen in der Moderne zu erzählen.
Neben dem bekanntesten Werk Hoppers – „Nighthawks“ – ist dies auch in „Morning Sun“ zu beobachten: Zu sehen ist eine Frau, die auf dem Bett in einer ziemlich leeren Wohnung sitzt. Mit angezogenen Beinen schaut sie zum Fenster hinaus über die Dächer einer Stadt. Während ein Gemälde wie „Nighthawks“ von der Einsamkeit in urbaner Geselligkeit erzählt, spinnt sich im Betrachter von „Morning Sun“ ein anderes Narrativ: Ist diese Frau soeben in die Stadt gezogen? Fühlt sie sich, noch nicht völlig eingerichtet, vielleicht noch fremd? Oder ist vielleicht eher jemand ausgezogen? Warmes Licht fällt auf die kühl gemalte Haut der Frau, blickt sie nachdenklich oder hoffnungsvoll? Die Reduktion auf das Wesentliche und gleichsam die Wahl eher banaler Motive machen Hoppers Werke so interessant – leider zeigt Edward Hopper. Die innere und die äußere Welt sehr wenig von ihnen.
Tatsächlich ist „Morning Sun“ das einzige Gemälde des Künstlers, das hier ausgestellt wird. Man braucht als Besucher fast so lange, die Ausstellung in den weiten Räumlichkeiten des Zwingers zu finden, wie sie dann tatsächlich auch zu erschließen. Das ist – man kann es nicht anders sagen – enttäuschend. Dafür entschädigt die Ausstellung mit einer Handvoll Radierungen Hoppers. Man bekommt also den weniger bekannten Hopper vorgestellt. Und das ist nicht ohne Gewinn: Die Radierungen haben viel von der narrativen Kraft der großen Werke, zeigen sich beeindruckend dynamisch und fein gearbeitet, wie das frühe Werk „Night Shadows“, das wie aus einer Noir Graphic Novel entrissen scheint. Die „Nighthawks“ kann man sich dann im Museumsshop als Postkarte anschauen.
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Edward Hopper. Die innere und die äußere Welt ist bis zum 31.07.2022 zu sehen.
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