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„Das schönste Pastell, das man je gesehen hat.“ Das Schokoladenmädchen im Zwinger

schokoladenmädchen detail skd„Das schönste Pastell, das man je gesehen hat“ – so warb man zur Zeit seiner Entstehung wie auch heute noch für Jean-Étienne Liotards Schokoladenmädchen – sicher nach Raffaels Sixtinischer Madonna eines der bekanntesten Gemälde im Bestand der Alten Meister. Aktuell haben die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden dem um 1744 in Wien entstandenen Werk eine ganze Sonderausstellung im Zwinger gewidmet.

Wie gestaltet man eine Ausstellung um ein einzelnes Gemälde? Eine interessante Frage, die die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden beantworten, indem sie aus ihren Beständen eine Vielzahl Exponate zusammengetragen haben, die sich irgendwie in Beziehung zum Schokoladenmädchen setzen lassen. Die Porzellansammlung, das Münzkabinett, das Kupferstichkabinett und die Rüstkammer haben neben weiteren externen Museen wie dem Berliner Kupferstichmuseum etwas aus ihrem Fundus beigesteuert.

Der museale Gemischtwarenladen zeigt es an: Nicht nur schöne Kunst schmückt die Räume des Zwingers. Die Ausstellung beleuchtet das Leben Liotards, August III. Vorliebe für die Pastellmalerei, die Anschaffungsgeschichte des Gemäldes und dessen kulturgeschichtlichen Rahmen. So sieht der Besucher nicht nur jede Menge Pastellmalerei, sondern auch einiges an feinem Porzellangeschirr und erfährt etwas über die Rolle der Kakaobohne an europäischen Höfen jener Zeit.

ausstellung schokoladenmädchen dresdenTrotz der Verschiedenartigkeit der Exponate ist die Ausstellung sehr kompakt geworden. Aufgeteilt auf drei Räume, lässt sie sich ohne Hast in einer Stunde begehen. Zum Auftakt präsentiert die Ausstellung ein paar Zahlen, die die Faszination, die das Abbild des namenlosen Wiener Stubenmädchens ausübt, aufzeigen: 50.000 Kopien werden jährlich angefertigt, Variationen des Motivs zieren Verpackungsmaterialien unterschiedlichster Konsumgüter bis hin zu Briefmarken und Brillentüchern (letztere zu erwerben im Museumsshop). Selbst die Kellnerinnen Dresdner Kaffeehäuser kleideten sich im 19. Jahrhundert im Stil des Schokoladenmädchens.

pastellkabinett dresden skd
In einem weiteren Ausstellungsraum sind Bilder des „Pastellkabinets“ zu sehen.

Das Werk selbst wurde bereits 1745 direkt vom Künstler erworben. August III. sammelte leidenschaftlich Pastellgemälde und widmete dieser Maltechnik eine ganze Galerie. Diesem damals einzigartigen Pastellkabinett ist der zweite Raum gewidmet, in dem dicht an dicht Pastelle von Künstlern wie Carriera, La Tour und Mengs gehängt sind. Zu den Werken und deren Erschaffer verrät die Ausstellung jedoch leider nicht viel.

Die Besucher der Ausstellung konzentrieren sich entsprechend auf den ersten Raum, an dessen Stirnseite als Höhepunkt der Schau das Schokoladenmädchen hinter Schutzglas gehängt ist. Es ist unbestreitbar eine Augenweide, angenehm von weitem zu betrachten und beeindruckend in seiner Detailfülle, besonders das Geschirr: Da ist die filigrane Ausarbeitung des Porzellans und das Wasserglas, in dem die Hand der jungen Frau gebrochen wiedergegeben wird. Das Wasser wirkt tatsächlich nass.

Eine nähere Werkanalyse wird dem Gemälde allerdings nicht zur Seite gestellt. Lediglich ein Bildschirm im Übergang zum zweiten Ausstellungsraum informiert den Besucher kurz über dessen Beschaffenheit.

Das Schokoladenmädchen von Liotard
Der Star der Ausstellung: Das Schokoladenmädchen (1744)

Auf dem Weg zum Schokoladenmädchen zeigt die Ausstellung zahlreiche Kopien, viele davon im Besitz der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Lithographien, Kupferstiche und Radierungen sind zu sehen. Fotografien deuten darauf hin, dass das massentaugliche, kommerzielle Potenzial des Bildes früh erkannt wurde. Davon sind die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden nicht ausgenommen, die in einem kleinen Shop gegenüber des zweiten Ausstellungsraums allerhand Souvenirs mit dem Abbild des Schokoladenmädchens verkaufen. Der dritte Ausstellungsraum ist den zwei wichtigsten Lebensstationen Liotards, Wien und Konstantinopel, gewidmet.

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Jean-Étienne Liotard im Selbstportrait – natürlich mit Pastellkreide gemalt.

Neben den Kopien des Schokoladenmädchens und den Selbstportraits von Liotard, der in erster Linie repräsentative Auftragsarbeiten an europäischen Höfen anfertigte, zählt eine aus drei Bildern bestehende Sequenz des Informel-Malers Hann Trier sicher zu den interessanteren Exponaten der Ausstellung. Die drei Großformatigen, mit Eitempera gemalten Bilder machen aus dem Schokoladenmädchen eine abstrakte Szene, an deren Ende die Unbekannte zu Boden stürzt – eine farbintensive, humorvolle Annäherung, derer man gerne mehr gesehen hätte. Dennoch: Die Ausstellung ist ein angenehmer Museumsquickie für einen verregneten Nachmittag, den man sich zum Abschluss mit einer Tasse heißer Schokolade versüßt. Der Eintritt von 12 Euro gilt auch für die Dauerausstellung der Alten Meister, durch die man am besten noch schlendert. Denn für sich genommen wäre der Preis ob des geringen Umfangs der Ausstellung etwas happig.

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Die Sonderausstellung „Das schönste Pastell, das man je gesehen hat.“ Das Schokoladenmädchen von Jean-Étienne Liotard ist bis zum 06.01.2019 im Zwinger zu sehen.