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Schlechte Menschen: Ameisenmonarchie von Romina Pleschko

Ameisenmonarchie von Romina Pleschko RezensionRomina Pleschkos Debütroman Ameisenmonarchie nimmt uns mit in ein Wiener Wohnhaus. Der satirische Ensemble-Roman begleitet episodenhaft die Leben von fünf Bewohnern des Hauses. Der Blick hinter die Tür entblättert die banalen Leben durchweg unsympathischer Menschen. Es offenbart sich ein ziemlich zynisches Menschenbild, das den Menschenekel glücklicherweise mit bissigem Humor auffängt.

Wir sind schon erbärmliche Wesen, könnte die Erkenntnis aus Ameisenmonarchie sein: Das große Glück gönnt man jedenfalls keiner der fünf Figuren, die der knapp 200 Seiten lange Roman begleitet. Da wäre zum Beispiel Herb Senior, ein Halbgott von einem Gynäkologen, der seine Frau seit Jahren heimlich sediert. Herb Junior ist ein Fehlschlag, er übernimmt zwar die Praxis, hat mit Vaginen aber eigentlich so gar nichts am Hut. Dafür hat er sich in den Nationalratsabgeordneten der “unsagbaren Partei” verliebt, der ebenfalls im Haus wohnt. Seine Mutter Margarete schlürft im schwarzen Morgenmantel müde durch die Wohnung – sie ist schließlich auch permanent sediert. Aber Ambitionen hatte sie eh nie – die endeten, als sie einen Arzt heiratete. Diese lieblose Familie wird flankiert von dem Mann names Klaus, der tatsächlich durchgängig so genannt wird, und damit eigentlich schon hinreichend charakterisiert ist. Wir erfahren nicht viel von ihm – das Innenleben all dieser Figuren ist eher karg – aber scheinbar trollt er sich gerne durch Internetforen. Dort gehört die gegenüber wohnende Karin zu seinen Opfern, auf die er auch ein bisschen scharf ist (Unsicherheit macht ihn an Frauen an). Karin arbeitet als Kosmetikerin, ist alleinerziehend und unzufrieden, wähnt sich auf dem Abstellgleis.

Vielleicht lässt sich der Titel des Romans darin erklären, dass alle Figuren eher äußeren Reizen folgen, in eingefahrenen Leben feststecken und wenig Innenleben zeigen. Die meisten der Figuren richten sich nach der Bestätigung durch andere – und werden dafür wieder und wieder enttäuscht. Herb Senior wird als Halbgott in Weiß überhöht, doch was bleibt davon, wenn er pensioniert ist? Sein Sohn verliebt sich blind in das Parfüm und die Äußerlichkeiten des Nationalratabgeordneten, der nur Opportunist ist und wenig echtes Interesse an Herb Junior hat. Karin tut sich in einem Familienforum durch ihre Kosmetik-Expertise hervor und hat Angst vorm Altern – für einen Mann würde sie über manches hinwegsehen. Dieser Drang zu gefallen führt einige dieser Figuren in die nächste Sackgasse, für andere geht es ganz tragisch aus.

Ameisenmonarchie ist voll bissigem Humor und schreckt vor Klischees nicht zurück. Das macht den Text zu einem flotten, unterhaltsamen, an manchen Stellen durchaus unangenehmen, Lesevergnügen. Das Menschenbild, das er zutage fördert, ist deprimierend: Nimmt man das Wohnhaus als gesellschaftlichen Mikrokosmos, dann zeigt sich eine kühle Gemeinschaft, die in erster Linie von Selbstinteresse geprägt ist und in der innere Werte absolut gar nichts zählen – man schaut lieber über die innere Hässlichkeit des Anderen hinweg, wenn es einem nützt. Die Frage, die offen bleibt, wer ist die Königin dieser Ameisenmonarchie?

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Ameisenmonarchie ist bei Kremayr & Scheriau erschienen.

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