Jörg Fauser hatte gerade die Feier zu seinem 43. Geburtstag verlassen, als er in den frühen Morgenstunden des 17. Juli 1987 auf der A 94 tödlich verunglückte. Alkohol, frühe Morgenstunden, Unglück – das passt zu seinen zwischen 1975 und 1979 entstandenen Erzählungen, die jetzt gesammelt unter dem durchaus programmatisch zu verstehenden Titel Alles muss ganz anders werden bei Diogenes erschienen sind. Es ist eine Neuvorstellung eines Autors, der heute kaum noch geläufig ist, aber sicher Spuren in der deutschsprachigen Literatur hinterließ, beispielsweise als Vorbild für Schriftsteller wie Benjamin von Stuckrad-Barre.
Kulturschock: In Alles muss ganz anders werden ist die Wohlstands-Wohlfühl-BRD nicht in Sicht – weder inhaltlich, noch stilistisch. Denn Jörg Fauser wandelt hier auf transatlantischen Spuren. Man fühlt sich an die Beat Generation, Charles Bukowski und Raymond Carver erinnert, deren Sujets und Stil Fauser hier adaptiert. Seine Figuren taumeln durch graue Tage, flüchten sich von den verregneten Straßen Münchens und Frankfurts in den Stehausschank. Hier tummeln sich “einarmige Rentner, zahnlose Sittenstrolche, gichtige Taschendiebe, ambulantes Gewerbe auf Stütze, die Trinker der Frühschicht“ (119). Man hangelt sich von Drink zu Drink, sucht ein bisschen Liebe, bekommt dann aber doch keinen hoch.
stütze dich an Mauern, nicht an Menschen (106).
Es wäre müßig, die zwölf gesammelten Texte einzeln zu betrachten. Die männlichen Protagonisten um die dreißig sind mal zwielichtige Detektive, mal Schriftsteller und immer ziemlich angesoffen. Sie ziehen von einer Bar zur nächsten, treffen andere Gestalten der Nacht, die sich immer weiter zerfasert. Diese Texte leben nicht von ihrer Handlung. Wie die Leben der Figuren, so scheint es, führen sie nirgendwo hin. Das rotzige Milieu, die graue Atmosphäre, die schnoddrigen Dialoge spielen hier die Hauptrollen. Den besten Eindruck von dieser Literatur bekommt man über die Sätze, die sie hervorbringt:
- „Die Häuser waren zu billigen Apartmentschuppen verkommen, vor denen alte abgewrackte Männer saßen, die, mit Gesichtern wie verloren Schlachten, ins Leere starrten. Und aus den Türen kamen manchmal Frauen, die jung hätten sein sollen, aber aussahen wie schales Bier“ (25).
- „An klaren Tagen sieht man von den Apartments im achten Stock dieses Wohnblocks bis zum Olympiastadion. Es war aber kein klarer Tag, sondern ein nebliger Morgen Anfang November“ (81).
- „Mich trennt mein Rausch nicht von der Wirklichkeit, sondern von denen, die sie immerfort behaupten“ (105).
Alles muss ganz anders werden zerrt den Leser in den Schatten und spuckt ihn, ein paar schöne Sätze bereichert, verwirrt wieder aus. Schwer zu sagen, wie das damals auf Leser wirkte. Marcel Reich-Ranicki war wohl kein großer Fan. Was man sagen kann: Ihre Andersartigkeit haben sich diese Erzählungen, zumindest in der deutschsprachigen Literatur, bis heute bewahrt. Fans der Beat-Literatur Kerouacs und Burroughs‘ werden sich zuhause fühlen – alle anderen sind gewarnt.
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Alles muss ganz anders werden (Erzählungen 1975 – 79) ist bei Diogenes erschienen.