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Stolpersteine: Vielleicht können wir glücklich sein von Alexa Hennig von Lange

Vielleicht können wir glücklich seinAlexa Hennig von Lange bringt mit Vielleicht können wir glücklich sein ihre Heimkehr-Trilogie zum Abschluss, die auf den Lebenserinnerungen ihrer Großmutter basieren. Die Trilogie erzählt das Leben Klaras vom Zerfall der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges sowie von Isabell, die nach dem Tod der Großmutter ihre auf Tonbändern festgehaltenen Erinnerungen findet und daraus einen Roman entwickeln will, während sie sich in ihr Leben als frischgebackene Mutter einfinden muss.

Wir erinnern uns: Im ersten Band der Trilogie, Die karierten Mädchen, begegneten wir Klara, als sie im hohen Alter von 93 Jahren begann, ihre Lebenserinnerungen auf Kassetten zu sprechen. Der Band erzählt von der Weimarer Republik, wie Klara erst als Lehrerin einer Kinderheilstätte arbeitete, die Obhut des jüdischen Waisenkindes Tolla übernahm und später eine nationalsozialistische Erziehungsanstalt leitet. Mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten begann ein Drahtseilakt, den Vielleicht können wir glücklich sein an mehreren Stellen rekapituliert:

“Sie hatte getan, was sie konnte, um Tolla mit einem der Kindertransporte in Sicherheit zu bringen. Sie hatte aber auch Heinrich Himmler unter der wehenden Hakenkreuzflagge empfangen, um ihm ihr Frauenbildungsheim zu präsentieren” (109).

In diesem Zwiespalt existiert die Trilogie. Im zweiten Band der Reihe, Zwischen den Sommern, stellt sich heraus, dass der Kindertransport das Mädchen nicht ins sichere England brachte, sondern von der Wehrmacht beschlagnahmt wurde.

Alle drei Bände spielen auf zwei Zeitebenen: Des Erinnerns und des Erinnerten. Nach dem Tod Klaras im ersten Teil fokalisiert die Erzählung auf der Ebene des Erinnerns Klaras Enkelin Isabell. Alle drei Bände beschäftigen sich thematisch mit der Verantwortung und Mitschuld der Bevölkerung an den Schrecken des Nationalsozialismus, verhandeln aber auch andere, angeschlossene Aspekte. Der dritte Band setzt nun auf beiden Zeitebenen einen verstärkten Fokus auf die Care-Arbeit von Frauen: Isabells Partner lässt sie oft mit der Tochter allein, sodass sie kaum Zeit findet, sich mit ihrem Romanprojekt zu beschäftigen. In der erinnerten Zeit ist Klara mit ihren vier Kindern allein, während ihr Mann an der Front ist. Es ist ohnehin eine der großen Stärken dieser Trilogie, den Zweiten Weltkrieg aus Perspektive der zuhause zurückgebliebenen Frauen zu erzählen. Für sie erscheint der Krieg als Gefängnis voller unmöglicher Entscheidungen und Zwänge. In der erzählten Gegenwart spiegelt sich die Situation: Während sich Isabells Mann selbst verwirklicht, ist sie auf die Rolle als Mutter zurückgeworfen.

Vielleicht können wir glücklich sein ist ein durchaus gelungener Abschluss der Trilogie und man kann nur den Hut vor Alexa Hennig von Lange ziehen, die dieses ambitionierte, aufwendig recherchierte Projekt mit einem Gesamtvolumen von etwa 1.000 Romanseiten in lediglich drei Jahren beendet und den moralischen Zwiespalt, in denen Frauen wie Klara lebten, nuanciert befragt.

Es gibt aber einige Abstriche in der textlichen Realisierung: Vielleicht können wir glücklich sein tut sich etwas schwer, in Gang zu kommen. Im Text finden sich viele Verweise auf vorherige Geschehnisse, die den Roman etwas aufblähen und ihm Tempo nehmen. Sprachlich schafft die Autorin eine heimelige Atmosphäre, die wunderbar als Kontrast zum Schrecken des Krieges funktioniert und Klaras Bemühungen, ihren Kindern Geborgenheit in einer Welt des Wahnsinns zu vermitteln, spiegelt. Doch manchmal wünscht man sich, die einfühlsame Sprache würde durch die Momente des Grauens gebrochen, um noch wirkungsvoller zu sein. Etwas unglücklich ist auch ein Moment in der späteren Hälfte dieser Erzählung, in der die Autorin – für sie sicher wichtig – sich von der autobiografischen Färbung des Projektes zu lösen sucht. Hier führt Isabell einen Dialog mit einem Literaturstudenten, der Alexa Hennig von Lange als Vertreterin der deutschen Popliteratur um die Jahrtausendwende aufführt. Der Metamoment tut nichts für die Erzählung und wirkt in diesem eher konventionell erzählten Text wie ein Fremdkörper. Sei’s drum: Wer der ersten beiden Romane gelesen hat, wird – und sollte – auch zu Vielleicht können wir glücklich sein greifen. Die Heimkehr-Trilogie ist ein gutes, ein wichtiges Projekt, dem zum Ende hin nur etwas die Puste ausgeht.

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Vielleicht können wir glücklich sein ist bei Dumont erschienen.

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