Zehn Jahre alt und schon gelangweilt: Die zwei Mädchen in Andrea Abreaus Debütroman So forsch, so furchtlos leben auf Teneriffa, aber das Meer sehen sie nur am Horizont. Fernab der Touristen tingeln sie in den Sommerferien durch ihr eher heruntergekommenes, ärmliches Viertel unterhalb eines Vulkans.
Marineblau, rosa, gelb, knallgelb, feuergelb, spiegeleigelb, rot. So sahen die Häuser des Viertels aus, bunt wie das Brett beim Mensch ärgere Dich nicht. Bunt und halb angefangen, halb fertig, keins voll ausgebaut, es waren Häuser wie unfertige Monster (26).
Wer ist eigentlich die Hauptfigur in So forsch, so furchtlos? Die zehnjährige Erzählerin oder ihre beste Freundin Isora, auf die sich all ihre Aufmerksamkeit konzentriert? Die beiden Mädchen haben Sommerferien und Langeweile. Isora kommt aus schwierigen Verhältnissen. Sie wächst ohne Eltern auf und lebt bei der Großmutter. Die besitzt den Lebensmittelladen im Viertel, ist aber verbittert. Ständig setzt sie Isora auf Diät, die folglich schon jetzt eine Essstörung hat.
Isora selbst ist nicht unbedingt ein guter Einfluss auf die Erzählerin: Mit Forsch und furchtlos ist das Mädchen gut umschrieben. Frech ist sie auch, schmeißt mit Schimpfwörtern wie “shit” und “bitch” um sich. Sie hat klar die Oberhand in dieser Freundschaft. Die Erzählerin himmelt sie an – vielleicht empfindet das vorpubertäre Mädchen etwas für Isora. Die scheint aber mehr an Jungs interessiert.
Und so streunern die beiden durch die Gassen ihres Viertels. Das Meer sehen sie von ihrem Berg nur am Horizont. Sie hoffen, dass eines Tages ein BMW kommt und sie mit an den Strand nimmt. Doch in ihre Gegend verirren sich keine Touristen. Überhaupt sind sie ziemlich auf sich gestellt: Zwar gibt es andere Kinder, mit denen sie gelegentlich spielen, aber die Erwachsenen beschäftigen sich kaum mit ihnen. Und so steuert dieser heiße, aber wolkenverhangene Sommer inmitten der Insel schnurstracks auf einen schrecklichen Verlust der Unschuld zu.
So forsch, so furchtlos ist ein schnörkellos erzählter Coming of Age Roman, der uns Teneriffa auf eine andere, triste Weise bekannt macht. Er erzählt von einer perspektivlosen Jugend in einem konservativen und doch verkommenen Umfeld, wo der Glaube noch tief in der (Groß-)elterngeneration verwurzelt ist, aber wenig Herzlichkeit und Verständnis wachsen lässt. Es ist ein rasantes Leseerlebnis, in kurze vignettenhafte Kapitel gestückelt und durchzogen von einem umgangssprachlichen, schnoddrigen Ton. Nicht jeder Leser wird sich gern in diesen Text einfinden. Aber dass man sich in dieser Welt der Mädchen wohl fühlt, hat die Autorin auch sicher nicht beabsichtigt.
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So forsch, so furchtlos ist bei KiWi erschienen.
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