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Ein Mönch schmollt: Aus der Mitte des Sees von Moritz Heger

Aus der Mitte des Sees von Moritz HegerWie endgültig und zwingend sind die Lebensentscheidungen, die wir treffen? Es scheint jedenfalls nichts entschlossener und endgültiger, als sich in jungen Jahren für ein Leben als Mönch in einer Benediktinerabtei zu entscheiden. So haben es jedoch Lukas und sein bester Freund Andreas entschlossen, bis letzterer nach sechzehn Jahren dann doch etwas anderes wollte. Und so ist Aus der Mitte des Sees von Moritz Heger der Bericht eines gekränkten Mönchs, der durch Andreas’ Weggang nun selbst ins Zaudern kommt.

Wer hat in stressigen Zeiten noch nicht daran gedacht, einmal für zwei Wochen in ein Kloster zu gehen und zu detoxen von all dem weltlichen Stress? Lukas, Ich-Erzähler von Aus der Mitte des Sees, hat sich für ein ganzes Leben im Kloster entschieden und dies schon in recht jungen Jahren. Die Benediktinerabtei, in der er lebt, ist idyllisch am See gelegen. Ein Flügel des Klosters ist Gästen vorbehalten, die gerne mal für einige Zeit die Ruhe eines solchen Ortes genießen möchten. Häufigster Gast am See ist Lukas selbst, der ihn täglich aufsucht, vordergründig um zu schwimmen, aber eigentlich, um seinen Gedanken nachzugehen.

Momentan beschäftigt ihn einiges: Aus der Mitte des Sees ist in Kapitel gegliedert, die mit “Erster Tag” etc. überschrieben sind. Insgesamt begleiten wir den Mönch Ende dreißig über zwei Wochen, es ist die Zeit, die er braucht, um eine E-Mail zu beantworten, die ihn am ersten Tag der Erzählung erreicht hat: Sein bester Freund Andreas, mit dem er einst in die Abtei ging, hat mit seiner Frau ein Kind bekommen und – wie es heute so üblich ist – eine Rundmail mit Fotos des Sprösslings verschickt.

Doch Lukas sieht sich außerstande, auf diese Nachricht zu antworten. Einerseits ist er tief gekränkt von Andreas Abwanderung nach Berlin, andererseits befindet er sich durch diesen Bruch in einem Prozess der Selbsterforschung:

Es gibt mehrere Richtigs für ein Leben, und letztlich ist es nicht entscheidend, wo man landet, sondern was man daraus macht (60).

Das Ganze wird erschwert dadurch, dass sich Lukas in Sarah verliebt, eine Schauspielerin, die sich eine Auszeit gönnt und ebenfalls einen Schicksalsschlag zu verwinden hat. Während also die Verlockungen des Lebens an Lukas zerren, drängt ihn die Abtei, noch mehr Verantwortung zu übernehmen. Denn das Kloster ist überaltert, Lukas und Andreas waren mit Ende dreißig die jüngsten Mitglieder, alle anderen sind bereits im Greisenalter.

Erzählt ist Aus der Mitte des Sees als innerer Monolog, der jedoch mehr vom Du als vom Ich gebraucht macht. Das ist eine gelungene und meines Erachtens glaubwürdige Variation der Ich-Erzählung. Denn Moritz Heger lässt seinen Protagonisten das Wort an Personen seines Lebens richten, mit denen er sich während seiner ausgedehnten Tage am See “unterhält”. Einzig der grammatikalisch zwar richtige aber sehr formal klingende Gebrauch des Präteritums unterläuft die Natürlichkeit dieser inneren Zwiegespräche.

Aus der Mitte des Sees ist ein Buch wie gemacht für unsere aktuelle Situation. Ist der Corona-Lockdown nicht auch ein bisschen wie ein Zwangsaufenthalt im Kloster? Das Leben ist reduziert, weltliche Vergnügungen haben zumindest Pause, es bietet sich Raum der Kontemplation, der auch einige Fragen zur eigenen Lebensgestaltung stellt. Wie dem auch sei: Lukas ist auf der richtigen Fährte, wenn er daran erinnert, dass ganz gleich der Situation man das beste aus ihr machen sollte. Zu einem Buch wie Aus der Mitte des Sees zu greifen, ist sicher keine Entscheidung, die man bereuen müsste.

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Aus der Mitte des Sees ist bei Diogenes erschienen.

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