Eine junge Frau in einem Amsterdamer Start-up kümmert sich mit großer Fürsorge um den ihr anvertrauten Drucker und erzählt ihm aus ihrer Jugend in einem Problemviertel. Nebenbei muss sie noch ein mysteriöses Paket ausfindig machen. Fien Veldmans Xerox ist ein Roman über postmoderne Arbeitswelten, erzählt von Entfremdung und Milieugrenzen in einem eigentümlich trockenen Humor.
“Ich werde nie wieder ein Sklave sein”: James von Percival Everett
Der äußerst produktive Schriftsteller Percival Everett mausert sich zu einer herausragenden Stimme in der amerikanischen Literatur. Sein neuer Roman James zementiert diesen Status – schließlich korrespondiert er zu dem amerikanischen Roman schlechthin: Die Abenteuer des Huckleberry Finn von Mark Twain. Er erzählt diesen Schlüsselroman der amerikanischen Literatur aus der Perspektive des Sklaven Jim, der in Everetts Vision aber lieber James genannt werden möchte.
Kalte Leidenschaft: Arctic Mirage von Terhi Kokkonen
Der Anfang ist das Ende: Auf der ersten Seite des Debütromans von Terhi Kokkonen hat Karo ihren Mann ermordet, der – immerhin – in den letzten Augenblicken seines Lebens doch noch die Polarlichter sehen darf. Das Paar hat einen Urlaub in Lappland gemacht und ist nach einem Unfall in der Hotelanlage Arctic Mirage gestrandet. Der Roman erzählt in leicht beklommener Atmosphäre rückblickend, wie es zu der Tat kam.
Verhungern mit vollem Bauch: Content von Elias Hirschl
Mit gerade einmal 30 Jahren veröffentlicht der Österreicher Elias Hirschl mit Content seinen bereits vierten Roman. Wie die schon überaus gelungene Polit-Satire Salonfähig (2021) schreibt er mit scharfer Feder und absurdem Humor über den Horror der Gegenwart: In Content erzählt die namenlose Protagonistin von ihrer sinnbefreiten Arbeit in einer rätselhaften Content Farm während die Welt um sie herum auseinanderfällt.
Lösch dich aus: Zeiten der Langeweile von Jenifer Becker
Ich poste, also bin ich? In Jennifer Beckers Roman Zeiten der Langeweile steigt die Ich-Erzählerin Mila aus. Kein kurzes digital Detox, sondern ein gezieltes Löschen jeder Hinterlassenschaft im Internet, geboren aus einer ungewissen Angst vor der eigenen digitalen Sichtbarkeit. Was gestern cool war, ist morgen vielleicht der Grund, warum man gecancelt wird. Zeiten der Langeweile ist ein Text, der über Identität und Gesellschaft nachdenken lässt.
Der Wunsch, selbst zu schreiben, ist immer geblieben: Verena Keßler im Interview
Verena Keßler ist Autorin zweier Romane. Ihr Debüt Die Gespenster von Demmin (Rezension) wurde für verschiedene Preise nominiert und erhielt das Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium. Kürzlich erschien ihr zweiter Roman Eva (Rezension), der sich aus sehr individueller Perspektive dem Thema Klimakrise nähert. Im Interview erzählt die gebürtige Hamburgerin von ihrem Werdegang, ihrer Inspiration und künftigen Projekten.
Kipppunkte: Eva von Verena Kessler
Verena Keßlers Romandebüt Die Gespenster von Demmin schaffte es auf meine Bestenliste im Jahr 2020. Ihr zweiter Roman Eva steht dem Debüt qualitativ in nichts nach. Es ist ein sehr gegenwärtiger Text geworden, in dem die Autorin die Themen Klimakrise und Kinderwunsch gekonnt miteinander verschränkt. Keine Frage: Mit der Wahl-Leipzigerin wird in Zukunft noch zu rechnen sein.
Eine seltsame Frucht: Die Bäume von Percival Everett
Ein 400 Jahre währender Krieg: Dass das Thema Rassismus mit dem Ende der Sklaverei und später dem Ende der Segregation noch lange nicht beendet ist, zeigen die beständigen Berichte über tödliche Polizeigewalt gegen Schwarze. Percival Everett, der erst letztes Jahr ein berührendes Buch über einen Vater und seine sterbende Tochter schrieb (Erschütterung), folgt nun die satirische Kriminalgeschichte Die Bäume über seltsame Morde in Mississippi. Es ist eine komische wie erschütternde Tour de Force durch ein Amerika, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint.
Kaum noch Luft: Wovon wir leben von Birgit Birnbacher
Arbeit, Luft, Liebe: Wovon wir leben, der neue Roman von Birgit Birnbacher, stellt die großen Fragen. Die Erzählerin Julia findet sich im Alter von 38 Jahren in einer Situation wieder, in der sie versuchen muss, ihr Leben neu zu denken. Aber geht das so einfach, wenn alte Gewissheiten an ihr zehren? Nachdem sie ihren Job in der Stadt verliert, kehrt sie zurück in den Ort ihrer Kindheit – und droht, steckenzubleiben.
Das verschwommene Kind: Wenn ich euch verraten könnte von Lea Draeger
Ein dreizehnjähriges Mädchen hungert sich zum Herzstillstand und landet in der Klinik. Dort greift sie zu einem Schreibblock und beginnt, die Familiengeschichte aufzuschreiben, vom tschechischen Urgroßvater bis zu ihren inzwischen getrennt lebenden Eltern. Lea Draegers Wenn ich euch verraten könnte ist ein atmosphärisch dicht erzählter Roman, der leider an seiner Erzählsituation krankt.