Die Frage, wie wir Leben wollen, ist unausweichlich mit dem Ort dieses Lebens verwoben. In zunehmendem Maße ist dieser Ort die Stadt. Während dort die Mietspiegel stetig steigen und man sich fragt, wer sich das alles überhaupt noch leisten kann, haben Dörfer fernab der Speckgürtel mit Überalterung und dem Fehlen der Annehmlichkeiten moderner Lebenswelten zu kämpfen – jeder, der in Brandenburg mobil ins Internet will, weiß, was ich meine. Jan Brandt hat mit Ein Haus auf dem Land/Eine Wohnung in der Stadt zwei Bücher in einem geschrieben – einmal erzählt er von seinem Leben in Berlin und einmal von seiner ostfriesischen Herkunft und dem Kampf um den Erhalt des Hauses seines Urgroßvaters.
Verdrehte Köpfe: Trennungen, Verbrennungen von Helmut Krausser
Zwischen Wannsee und Plattenbau hat Helmut Krausser mit Trennungen, Verbrennungen ein äußerst amüsantes Kaleidoskop des Berliner Lebens geschrieben. Menschen begegnen und verlieren, belügen und betrügen sich. Und während sie durch scheiternde Beziehungen stolpern, verirren sie sich auch in einer verunsicherten Gesellschaft, in der tradierte Normen zunehmend aufweichen,- ohne, dass man ihnen vollends entkommen kann.Harter Tobak: hell/dunkel von Julia Rothenburg
Julia Rothenburgs zweiter Roman hell/dunkel ist eine ziemlich düstere Angelegenheit: Zwei sich entfremdete Geschwister müssen damit fertig werden, dass ihre Mutter an Krebs stirbt und kommen sich dabei zu nah. Viel zu nah. Es ist ein unangenehm zu lesender Text.Ein seltsamer Regen: Warum die Vögel sterben von Victor Pouchet
In der Normandie regnet es tote Vögel und in Paris interessiert es keinen: Abgesehen von Victor Pouchets Protagonisten in seinem Debütroman Warum die Vögel sterben. Der ziellos durch sein Leben driftende Promotionsstudent, der mit seinem Erschaffer zumindest den Nachnamen teilt, will dem unheimlichen Phänomen auf den Grund gehen. Da sich der Vogelregen in seiner Heimatstadt ereignete, fühlt er sich persönlich betroffen. Die Reise führt ihn in die eigene Kindheit.“Wir sind ja auch Menschen hier draußen”: Die kennen keine Trauer von Bjarte Breiteig
Der Wiener Luftschacht Verlag hat mit Die kennen keine Trauer von Bjarte Breiteig einen äußerst ökonomisch erzählten Band im Programm. Die sieben Erzählungen begnügen sich mit 80 Seiten. Viel zu kurz, denkt man. Aber das heißt ja nichts Schlechtes: Die guten Erlebnisse sind schließlich immer viel zu schnell vorbei. Das bedeutet allerdings nicht, dass Die kennen keine Trauer von schönen Momenten erzählt.Flucht aufs Land: Alte Sorten von Ewald Arenz
Ein Buch für Sommer- und Landlust: In Alte Sorten lässt Ewald Arenz einen in Schieflage geratenen Teenager aufs Land fliehen und dort bei einer enigmatischen Bäuerin unterschlupf finden. Eine ungewöhnliche Freundschaft entsteht, bei der beide die Krisen ihres Lebens konfrontieren müssen.Im Spiegel der Erinnerungen: Erstaugust von Lisa Elsässer
Ich bin immer wieder verzückt von den sprachlichen Qualitäten schweizerischer Erzählliteratur. Auch wenn das gesprochene Deutsch der Eidgenossen mir unverständlich bleibt, auf dem Papier kommt es klar wie Gebirgsquellwasser und bildreich wie die schönsten Alpenpanoramen. Auch Lisa Elsässer findet in ihrem Erzählband Erstaugust immer wieder schöne Formulierungen, vermag es dabei aber nicht, ihrem Material die nötige Dringlichkeit zu verleihen. Erstaugust ist eher ein kleines Rinnsal, das gemächlich vor sich hin plätschert.Was am Ende bleibt: Die Angehörigen von Katharine Dion
Debütromane sind oft vom Sturm und Drang der Jugend geprägte Coming of Age Geschichten. In dieser Hinsicht ist der Amerikanerin Katharine Dion ein wirklich ungewöhnlicher Erstling gelungen: Ihr mit ruhiger Hand erzählter Roman Die Angehörigen erzählt von Eugene Ashe, der nach 49 Jahren Ehe plötzlich Witwer ist und nun die Beziehungen seines Lebens hinterfragt.Gefrierbrand: Vor der Flut von Corinna T. Sievers
Corinna T. Sievers hat mit Vor der Flut einen sprachlich interessanten und überaus offenen Roman über eine 51-jährige Nymphomanin geschrieben, die ihrem unbändigen Drang selbst während der Arbeit (sie ist Zahnärztin) nicht standhalten kann und auch mal einen Patienten im Behandlungsstuhl vernascht. So heiß es auch hergehen mag, herrscht doch klirrende Kälte im Leben der Frau. Keine Eroberung kann die fundamentale Leere in ihr füllen.Der Künstler ist anwesend: Eine Liebe in New York von Tadeusz Dąbrowski
Die Gefühle zwischen zwei Menschen können so labyrinthartig wie die Straßen einer Großstadt sein: Eine Liebe in New York erzählt davon, wie sich ein Mann in seiner Begierde für eine Zufallsbekanntschaft verliert und den Ausgang nicht findet. Es ist ein klassisches Thema, das der polnische Dichter Tadeusz Dąbrowski in seinem Debütroman auf kluge und originelle Weise neu erzählt.