Einem Bewerbungsschreiben würde man eigentlich keinen literarischen Wert zuschreiben. Nicht so Joey Comeau. Der hat mit Überqualifiziert eine Art autobiografischen Briefroman geschrieben, der aus ziemlich absurden Bewerbungsschreiben besteht. Bei allem Witz sind sie allerdings auch von einer großen Melencholie bewohnt. Ein kurzweiliger, absolut lesenswerter Text.
Ein Täubchen fliegt durch toxische Luft: Am See von Bianca Bellová
Bianca Bellová hat mit Am See einen kurzen, harten Entwicklungsroman geschrieben, der sich ein bisschen wie ein pechschwarzes Märchen liest. Im Mittelpunkt steht der Junge Nami, der in einem fiktiven Land in der ehemaligen Sowjetunion seine eigene Geschichte sucht, während er durch eine bedrückende Gegenwart wandelt.
Thomas Mann – Der Tod in Venedig
Kürzlich reiste ich nach Venedig. Bei der Suche nach einer passenden Reiselektüre musste ich nicht lange nachdenken. Nein, nichts von Donna Leon. Denn es ist wohl kein Buch so mit der Lagunenstadt verbunden wie Thomas Manns Der Tod in Venedig. Die Novelle hat nicht nur das Grand Hotel de Bains weltberühmt gemacht. Die Erzählung sorgte auch für einige Spekulationen über den Nobelpreisträger selbst.
Vom Gewusel ganz müde: Venedig ist wie man es erwartet – und ein bisschen mehr
Als ich wenige Tage vor meiner ersten Reise nach Venedig mit einer Freundin nach einem Museumsbesuch auf dem Dresdner Neumarkt ein Eis unter der Frühlingssonne genoss, war sie gespannt, welche Eindrücke ich von der Stadt zurückbringen würde: Leben dort noch Leute oder ist es wie der Neumarkt, nur eine Dimension größer, mehr eine gigantische Freiluft-Touristenattraktion als lebendige Stadt?
Curtis Dawkins – Alle meine Freunde haben wen umgebracht
Curtis Dawkins hatte einen Abschluss in Literarischem Schreiben und einige Erzählungen in Magazinen veröffentlicht, als er im Rausch einen Mann erschoss und dafür lebenslänglich ohne Aussicht auf Bewährung ins Gefängnis wanderte. Gut 14 Jahre nach der Tat erscheint sein erster Erzählband Alle meine Freunde haben wen umgebracht und bietet einen faszinierenden Einblick in das Leben von Männern, die ihr Recht auf Freiheit verwirkt haben.
Mit 40 fängt das Leben an? Nächste Station von Helen Simpson
Was passiert, wenn die wichtigen Meilensteine eines Lebens, Geburt, Bildung, Heirat, Kinder und die eventuelle Scheidung bereits abgehakt sind? Helen Simpson gibt ein paar Antworten in den neun Erzählungen von Nächste Station. Es sind süffisant erzählte Texte, in deren Zentrum zumeist bürgerliche Londoner mittleren Alters stehen. Das ist überwiegend unterhaltsam, wenngleich nicht jede Geschichte wirklich zündet.
Aus dem Nichts das Ich schälen: Andreas Maiers Die Universität
Ein junger Mann zieht von der Kleinstadt nach Frankfurt am Main, um an der Universität Philosophie zu studieren. Was nach dem Ausgangspunkt eines typischen Bildungsromans klingt, entpuppt sich als Inversion dessen: In Andreas Maiers neuem Roman Die Universität bestimmen Lethargie und endloses Grübeln das Dasein seines Protagonisten – der mit seinem Urheber mehr als nur den Namen teilt.
Beschädigte Leben: Sieben leere Häuser von Samanta Schweblin
Auch ein belebtes Haus kann sich irgendwie leer anfühlen. In den sieben Erzählungen des Erzählbands Sieben leere Häuser der argentinischen Schriftstellerin Samanta Schweblin berichten ihre Erzähler lakonisch von Beziehungen und Familien, die nicht (mehr) sinnstiftend sind.
Lebwohl, betrunkener Geist: Jack von Anthony McCarten
Hommage oder Abgesang? Weder noch: Anthony McCartens neuer Roman Jack ist ein Verwirrspiel um Identität geworden, bei dem der Neuseeländer den literarischen Wegbereiter der Hippies in seinen wenig glorreichen letzten Tagen beleuchtet. Gekonnt verwischt er dabei wahre Begebenheiten mit Dichtung – wie einst Jack Kerouac.
Ein Amerikaner in Bulgarien: Was zu dir gehört von Garth Greenwell
Der für zahlreiche Literaturpreise nominierte Debütroman What Belongs to You des Amerikaners Garth Greenwell erscheint in diesen Tagen beim Hanser Verlag unter dem Titel Was zu dir gehört. Darin erzählt Greenwell von einem namenlosen Ich-Erzähler, der in Sofia seiner schwierigen Kindheit und sich selbst zu entkommen versucht. Am Ende steht die Erkenntnis, dass man durch einen Ortswechsel nicht einfach zu einem Anderen wird und die äußere Reise oft in einer inneren Reise zu sich selbst mündet.