Wenn der Familienurlaub zum letzten Strohhalm wird: Hugo und Judith begeben sich mit Tochter Ava in ein spanischsprachiges Urlaubsparadies, um die schal gewordene Ehe zu retten. Aber der abgestandene Gestank der verhärteten Ehe findet gleich am ersten Urlaubstag seine Entsprechung in einem gestrandeten Wal, der explodiert und das Urlaubsparadies in einen penetranten Gestank taucht. Multiperspektivisch, temporeich, humorvoll und mit satirischen Sprenkeln versehen, ist Der Duft des Wals des Kanadiers Paul Ruban ein vergnüglicher Sommerroman.
Der Duft des Wals ist Paul Rubans Debütroman und war in Kanada ein Überraschungserfolg. So findet sich der Roman nun, von Jennifer Dummer aus dem Französischen übersetzt, beim Aufbau Verlag wieder. Warum auch nicht: Unterhaltungsqualitäten hat der Roman auf jeden Fall. Neben den drei Familienmitgliedern Hugo, Judith und Ava kommen auch die Flugbegleiterin Celeste und die Hotelangestellten Waldemar und Belen zu Wort. Dies zieht den Blickwinkel natürlich etwas größer: Hier haben wir die kanadische Familie, die sich einen luxuriösen Urlaub leistet, dort das Servicepersonal. Sie alle haben ihre Geschichten, und diese überkreuzen sich im Handlungsverlauf natürlich.
Zentrales Element ist dabei einerseits die deteriorierende Ehe von Hugo und Judith sowie die Unannehmlichkeiten, die der aufgrund von Verwesungsgasen explodierte Wal verursacht. Alle Erzähler sind gewissermaßen mit sich selbst beschäftigt – es ist etwas faul: Celeste hat mit einem Geist zu tun, der die Flugbegleiterin auch in ihrem Urlaub heimsucht. Waldemar ist in Belen verliebt. Belen ist aber verheiratet – ihr Mann ist in den USA – vielleicht holt er sie ja eines Tages nach?
Das Erzähltempo ist rasant, die sechs Erzählstimmen bringt Ruban auf gut 200 Seiten unter. Es ist ein flotter Wechsel zwischen den Perspektiven, die häppchenweise aus der Urlaubswoche berichten. Auch wenn es hier emotionales Drama gibt, wirkt es nie schwer. Das mag an zahlreichen Slapstickelementen liegen, die der Autor anhand des Gestanks in die Erzählung flicht. Beispielsweise laufen alle nur noch mit Nasenklammern herum. Das Personal ist beschäftigt, verschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um den Geruch zu vertreiben. Auch eine völlig aus dem Ruder laufende Drogenepisode, in die ein Nasenbär verwickelt ist, sorgt für Amüsement.
Es gäbe hier natürlich auch Anknüpfungspunkte für tiefergehende Betrachtungen der Welt, in der wir leben: Da ist natürlich der Klassenunterschied zwischen Einheimischen und Touristen, das Problem des Konsums und der Ökologie. Doch dies sind Dinge, die die Erzählung streifen wie eine Meeresbrise – der Fokus ist die unterhaltsame Suche nach dem persönlichen Glück.
Der Duft des Wals macht Spaß und lässt über die Schwachstellen des Textes hinwegsehen. Da ist einerseits die recht oberflächliche Betrachtung der Kluft, die zwischen Urlaubern und Arbeitern herrscht, oder auch textuelle Holprigkeiten, wie die viel zu eloquente und reflektierte Erzählstimme des Grundschulkindes Ava. Aber schwamm drüber – der Spaß hält den Text zusammen.
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