• Kritik,  Allgemein,  Literatur

    Austrian Psycho: Salonfähig von Elias Hirschl

    Salonfähig von Elias Hirschl“Imitiere dein Idol so lange, bis du sein Verhalten perfekt kopiert hast” (10): Der namenlose Erzähler in Elias Hirschls Roman Salonfähig ist besessen von Julius Varga, einem aufstrebenden Kanzlerkandidaten einer konservativen Partei in Österreich, der stark an Sebastian Kurz erinnert. Als Leser verbringen wir einige Tage im Kopf dieses jungen Mannes, der in Wiens unfein feinen Gesellschaft unterwegs ist und mehr eine Abstraktion seiner Vorstellungen als ein Mensch ist.

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    Momentaufnahmen: Daddy von Emma Cline

    Daddy von Emma ClineEmma Clines Erzählband Daddy weckt schon ob des Titels gewisse Assoziationen. Es könnte um alte weiße Männer gehen, den männlichen Blick, Sex. Und daran orientieren sich auch die meisten Besprechungen, die bisher dazu erschienen sind. Die eigentlichen Texte sind jedoch weitaus vager und ambivalenter, als es der Titel vorgibt. Unaffektiert und schnörkellos erzählt Cline aus Momenten der Leben von Männern und Frauen, die wie zufällig herausgegriffen wirken.

  • Kritik,  Allgemein,  Literatur

    Furcht und Sehnsucht: Filthy Animals / Vor dem Sprung von Brandon Taylor

    Filthy Animals von Brandon TaylorBrandon Taylors Kurzgeschichtenband Filthy Animals (deutsch: Vor dem Sprung bei Piper) ist weniger wild, als es der Titel andeutet. Die teilweise miteinander verzweigten Geschichten spielen im kühlen Midwesten der USA und zeigen in kristallklarer, ruhiger Sprache überwiegend Menschen in ihren 20ern, deren Sehnsüchte ins Leere zu laufen scheinen. Eine große Unverbundenheit eint die Protagonisten dieser elf Erzählungen.

  • Kritik,  Allgemein,  Literatur

    Wiener Eigentümlichkeiten: Mein Lieblingstier heisst Winter von Ferdinant Schmalz

    Mein Lieblingstier heisst WinterEs hängt was schief in der Alpenrepublik des Kanzler Kurz: Zumindest Mein Lieblingstier heisst Winter von Ferdinant Schmalz wie auch Ameisenmonarchie im Frühjahr und der dieser Tage erschienene Roman Salonfähig von Elias Hirschl zeichnen ein grausiges Bild der Wiener Gesellschaft: Opportunismus und Mauschelei regieren die Protagonisten dieser Bücher. Mein Lieblingstier heisst Winter ist der vielleicht radikalste Text dieser Gruppe, eine inhaltlich wie sprachlich vertrackte Satire über geheime politische und wirtschaftliche Machenschaften, in deren Zentrum sich unverhofft der treffend benannte Franz Schlicht wiederfindet.

  • Kritik,  Allgemein,  Literatur

    Deeskalation im Wald: Herren der Lage von Castle Freeman

    Herren der LageIn den Wäldern Vermonts ist eigentlich nicht viel los. Sheriff und “Abreger” Lucien muss ab und an die Lage entspannen, wenn irgendwo der Haussegen schief hängt. Nun kommt aber Ärger aus der Stadt, der ihm über den Kopf zu wachsen droht. Castle Freemans Herren der Lage ist ein launiger Kleinstadt-Krimi voller Männer, die öfter mal auf ihre Frauen hören sollten.

  • Kritik,  Allgemein,  Literatur

    Das Licht in der Dunkelheit: Junge mit schwarzem Hahn von Stefanie vor Schulte

    Junge mit schwarzem HahnStefanie vor Schulte ist ein düsteres Märchen mit strahlend hellem Stern geglückt. Junge mit schwarzem Hahn ist eine Heldenreise durch ein nicht näher benanntes Land in einer nicht näher benannten Zeit. Feudale Strukturen lassen auf das Mittelalter schließen, der schwarze – sprechende – Hahn auf ein Sagenreich. Es ist zumindest eine dunkle, empathielose Zeit, Junge mit schwarzem Hahn eine Warnung, dass man durch Empathielosigkeit nicht zurückfallen möge in eine Gesellschaft, in der jeder nur das eigene Überleben sieht.

  • Kritik,  Allgemein,  Literatur

    „Die Trauer ist ein nasses Gefühl im Magen“: Auszeit von Hannah Lühmann

    Auszeit Hannah LühmannHannah Lühmanns Debütroman Auszeit ist ein Buch der Innerlichkeit. Henriette ist an einem toten Punkt in ihrem Leben angekommen: Nachdem sie ihr aus einer Affäre entstandenes Kind abgetrieben hat, fällt sie in eine Depression, die sie alles in Frage stellen und ratlos zurück lässt. Mit ihrer besten Freundin Paula fährt sie in eine einsame Waldhütte in Bayern, um aus dieser Auszeit heraus neu zu sich zu finden. Die Reise ist, wie sich am Ende herausstellt, eine Schleife.

  • Kritik,  Allgemein,  Dresden

    Ostrale 2021: Atemwende

    Ostrale 2021Huch, schon wieder zwei Jahre vergangen, zwischenzeitlich ist die Welt aus den Fugen geraten, da hat die Ostrale plötzlich wieder geöffnet. Unter dem Thema Atemwende residiert die Ostrale 2021 neuerlich an einem neuen Standort. Nachdem die letzte Ausgabe nach dem Aus am Messegelände in der Tabakfabrik eine neue Herberge fand, ist es jetzt die Robotron Kantine inmitten der Stadt, die als Hauptausstellungsort dient. Eine tolle Wahl, denn um diese Perle der Ostmoderne kann man als Dresdner nur zittern – eigentlich soll sie der Lingnerstadt weichen, doch verschiedene Vereine bemühen sich um ihren Erhalt, der im Zuge der Kulturhauptstadtbewerbung zwischenzeitlich als gesichert galt (naja…). Es haben sich gewissermaßen zwei Dinge mit nicht immer als gesichert geltender Zukunft zusammengefunden – mögen sie uns in genau dieser Konstellation noch lange erhalten bleiben.

  • Kritik,  Allgemein,  Musik

    90ies Nostalgia: Giegling 2020

    Giegling 2020Dass für 2020 geplante Dinge dann erst 2021 das Licht der Welt erblicken, kennt man inzwischen. Neben großen Sportveranstaltungen traf dieses Schicksal den jährlichen Sampler des Weimarer Labels Giegling, und so kommt die Doppel-E.P. mit über einem halben Jahr Verspätung im Briefkasten an – es gab wohl Probleme beim Pressen des schwarzen Goldes. Dass vor tatsächlichem Erscheinen keiner der Songs gehört werden konnte, änderte freilich nichts daran, dass sie wie üblich schon längst ausverkauft ist. Die Erwartungen haben sich mit der langen Wartezeit natürlich nur vergrößert – und stellen dem Hörerlebnis dann irgendwie ein Bein.

  • Kritik,  Allgemein,  Literatur

    Johnny Would You Love Me If My Dick Were Bigger von Brontez Purnell

    Johnny Would You Love Me If My Dick Were Bigger von Brontez PurnellMan kennt es ja eher von Hip Hop Alben, dass dort der Hinweis “Parental Advisory Explicit Content” steht. Dieser ziert auch den Band Johnny Would You Love Me If My Dick Were Bigger von Brontez Purnell – völlig zurecht. Nach einer erstmaligem Bekanntschaft mit dem Amerikaner durch dessen aktuellen und sehr zu empfehlenden Erzählband 100 Boyfriends wollte ich nochmals von dieser verbotenen Frucht kosten. Johnny Would You Love Me If My Dick Were Bigger aus dem Jahre 2017 schlägt unverkennbar in dieselbe Kerbe, ist aber nicht ganz so gut, wie das spätere Werk.