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Bis das Licht angeht: Der Tanzende von Victor Jestin

Bis das Licht angeht: Der Tanzenden von Victor Jestin Ein Leben erzählt in den Nächten eines Clubs: Victor Jestins zweiter Roman Der Tanzende erzählt von der Einsamkeit in der Masse, dem Gefühl flüchtiger Verbundenheit, dem Leben im Moment der Bewegung, die – im Falle des Protagonisten – gleichsam Stasis ist. Der Tanzende ist ein melancholischer Roman über die Freiheit und die Grenzen der Tanzfläche.

In Arthus Leben dreht sich alles um die Nächte im La Plage, dem einzigen wirklichen Club der französischen Kleinstadt, in der er lebt. Dabei fing diese Bindung zwischen Mensch und Ort eher schreckhaft an: Denn Arthur war als Kind ein schüchterner, einsamer Junge. Als ein Mitschüler dort seinen Geburtstag feiert, muss der noch Zehnjährige ein anderes Mädchen zum Tanz auffordern – was ziemlich in die Hose geht. Auch im Teenageralter läuft es weder mit dem Tanzen noch mit den Frauen wirklich besser.

Anfang 20 findet er doch noch seinen Groove. Zwischenzeitlich hat der dürre Junge sich im Fitnessstudio Muskeln zugelegt. Bald wird er sogar in dem Studio arbeiten. Muskeln aufbauen, tanzen gehen: Diesem Rhythmus folgt sein Leben die nächsten 20 Jahre, die dieser kurze Roman schildert. Bis zu fünf Mal die Woche zieht es ihn in das La Plage. Türsteher und Barkeeper kennt er inzwischen persönlich – wenn auch nie außerhalb des Gebäudes. Arthurs ganzes Leben ist plötzlich ganz auf den Tanz ausgerichtet. In der Bewegung in der tanzenden Menge fühlt er sich zuhause, verbunden. Beim Tanzen schafft er es, Frauen anzusprechen und sie mit nach Hause zu nehmen. Doch das Leben ist zu eng um den Club gezogen. Am nächsten Morgen sind die Frauen wieder weg. Abgesehen von seinem Muskeltraining und dem Ausgehen hat er keine Interessen. Er hat keine Freunde, mit denen er ins Kino, in eine Bar oder zu Privatpartys geht. Auch das Verhältnis zu den Eltern hält er lieber oberflächlich, denn die fragen zu oft, ob er nicht auch einmal eine Freundin mitbringen möchte.

Arthur ist in Gesellschaft und doch allein. Der Tanzende ist das Portrait eines Mannes, dessen Horizont sehr verengt erscheint und der in der Gesellschaft abseits der Discokugel keinen Platz findet. Noch nie war er auf Reisen. Er wünscht sich zwar eine Beziehung, sucht diese aber anscheinend am falschen Ort. Der Club ist eben kein Ort der Beständigkeit, sondern ein Ort des Moments, der zeitweiligen Entgrenzung vom Alltag. Während sich Arthurs One-Night-Stands also am nächsten Morgen wieder in ihren Lebensalltag verabschieden, ist das Leben im Club Arthurs Alltag.

Victor Jestin scheucht den Leser durch das Leben dieses traurigen, tanzenden Mannes: Vom zehnten bis zum vierzigsten Lebensjahr vergehen gerade einmal 200 Seiten. Strukturiert ist der Text abgesehen von einem Flash Forward zu Beginn anhand chronologisch erzählter Begegnungen, die Arthur prägen und die er im Zusammenhang mit dem Club erlebt.

Der Tanzende ist nicht in rauschhafter, dynamischer Prosa geschrieben, sondern im eher nüchternen Ton des überwiegend nüchtern tanzenden Mannes, der zwischen seiner Begeisterung für das Tanzen und der Ernüchterung des faden Lebens abseits des Clubs einen verlorenen Eindruck macht. Arthur ist im Grunde genommen auch mit vierzig noch der schüchterne Junge, der sich mit zehn Jahren schwer damit tat, ein Mädchen anzusprechen. Trotz der Kontinuität, mit der Arthur tanzt, fehlt diesem Leben doch die Perspektive auf etwas mit Permanenz: Denn so viel ist sicher: Die Welt dreht sich außerhalb der Tanzfläche weiter und wenn die Musik aus- und das Licht angeht, bleibt da nur das klebrige Gefühl unter den Schuhen.

Der Tanzende ist ein schnell zu lesender, formell allerdings nicht wirklich bemerkenswerter Roman. Dennoch evoziert er Szenen der Ernüchterung, die vielen Lesern vertraut sein mögen und die uns erinnern, den Absprung zu schaffen, bevor das Licht angeht.

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Der Tanzende ist bei Kein & Aber erschienen.

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