Dein Herz, ein wildes Tier von Jardine Libaire ist eine amerikanische Erzählung über Aussteiger im sogenannten Flyover-Country – also fernab der Metropolregionen der Ost- und Westküste. Im Kern geht es um Staci, Ray, Ernie und Coral – eine zufällig zusammengewürfelte Truppe, die plötzlich ohne ihre Aussteiger-Community klarkommen muss und zu einer Art Familie zusammenwächst.
Jardine Libaire lässt uns auf den ersten Seiten etwas im Unklaren, um wen es in Dein Herz, ein wildes Tier geht. „Dies ist eine Liebesgeschichte, nebenbei gesagt“, lautet der erste Satz. Doch um welches Pärchen es gehen könnte, bleibt lange ungewiss. Wir starten die Erzählung in einem ehemaligen Pfadfinderlager in Oklahoma: Hier hat sich ein Sammelsurium an Leuten zusammengefunden, das aus der Mainstreamgesellschaft gefallen ist. Schwierige, gebrochene und oftmals von Gesetzeskonflikten geprägte Biografien. Dein Herz, ein wildes Tier stellt uns die Bande vor, die sich überwiegend über die Herstellung von Crystal Meth finanziert und weitestgehend autark lebt. Man braucht eine Weile als Leser, um sich zurechtzufinden, konfrontiert mit diesem bunten Haufen.
Klarheit kommt in Form von Coral, einer taubstummen, siebzehnjährigen Teenagerin, deren Cousin im Camp lebt und die hier von ihren Ersatzeltern abgegeben wird. Die junge Frau hat eine traumatische Vergangenheit hinter sich. Sie bringt etwas Unruhe ins Camp – aber es explodiert nicht wegen ihr. Während Staci, Ray, Ernie und Coral Besorgungen erledigen, fliegt die Meth-Küche in die Luft. Man kann nicht mehr zurück – denn die Behörden hätten unangenehme Fragen.
Man begibt sich auf einen Roadtrip und landet irgendwann in Texas, wo man eine Farm mietet. Staci und Ray sind ein Pärchen – er ein raubeiniger Biker und sie eine ehemalige Stripperin. Ernie ist ein bisschen Hippie, und Coral bleibt ein Enigma. Das Zusammenleben birgt also Konfliktpotenzial, verläuft aber über lange Zeit weitestgehend harmonisch – das Leben im Camp war nicht ideal, und in Texas hat man sich eine kleine Idylle geschaffen. Doch so ein bunter Haufen bleibt nicht lange unerkannt, und die Spannungen zwischen Staci und Ray sowie Ernie und Coral drohen jederzeit ins Chaos zu stürzen.
Dein Herz, ein wildes Tier ist klassische amerikanische Erzählliteratur über einen wilden Haufen, aber mit Ruhe erzählt. Es geht um Außenseiter, die ein Abenteuer erleben. Jardine Libaire nimmt sich für ihre Protagonisten Zeit, macht sie und ihre Sorgen greifbar – ebenso wie den Freiheitsdrang der Amerikaner, der nun mal nur am Rand der Gesellschaft zu haben und selten von Permanenz ist. Ironischerweise haben diese freiheitsliebenden Außenseiter ihre beste Zeit in einer familiären Notgemeinschaft. Unterhaltsam. Eine klassische Liebesgeschichte ist der Roman allerdings nicht.
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Jardine Libaires Dein Herz, ein wildes Tier ist bei Diogenes erschienen.
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