Die Holländerinnen von Dorothee Elmiger ist inspiriert von einer realen Begebenheit: Zwei Holländerinnen verschwinden spurlos im küstennahen Dschungel Panamas. Der bis heute nicht aufgeklärte Fall erfährt auch in Elmigers labyrinthinen Sätzen keine Klarheit: In ihrer Erzählung bekommt eine namenlose Autorin den Auftrag, das neue Projekt eines gefeierten Theatermachers zu begleiten und zu protokollieren. Zusammen mit anderen Kulturschaffenden wandelt man auf den Spuren der Vermissten und verliert sich in Geschichten und im Getöse von Flora und Fauna.
Die Holländerinnen ist kein einfacher, aber origineller Text. Trotz der Kürze von knapp 150 Seiten stellt die Lektüre die Geduld des Lesers auf die Probe: Erzählt wird in der dritten Person. Die Autorin hält einen Vortrag nach der Rückkehr von der anstrengenden Reise. Das bedeutet: Der gesamte Text ist in indirekter Rede geschrieben – wurmartige Sätze mäandern über die Seiten wie die Protagonistin durch die Fauna des tropischen Regenwalds.
Der Theatermacher ist die bestimmende Figur des Unterfangens, ein Verehrer Werner Herzogs, und in seiner Herangehensweise an Theater auch etwas an Christoph Schlingensief erinnernd, sind seine Inszenierungen Projekte, die allen Beteiligten physisch und psychisch einiges abverlangen.
Man sammelt sich in einem Camp, schwitzt und erzählt miteinander. Die Autorin, von der wir wenig erfahren, ist Beobachterin – so ist auch die ihr vom Theatermacher zugeteilte Rolle. Wir lauschen den Geschichten der anderen: von früheren Projekten des Theatermachers, von toxischen Beziehungen, von Ziegenhirtinnen. Ihre Geschichten spiegeln immer wieder das eigentliche Geschehen – es geht um Machtausübung beziehungsweise darum, der Machtausübung anderer ausgesetzt zu sein. So gesehen sind die Referenzen auf Herzog und Kinski Spiegelungen der Situation: Alle Beteiligten scheinen dem Willen des Theatermachers ausgeliefert.
Die Holländerinnen ist ein abgründiger, mythischer und mutiger Text über Machtstrukturen und das Erzählen selbst: Man folgt den Spuren des Geschehens, versucht, Licht in die wuchernde Dunkelheit zu bringen.
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Die Holländerinnen ist bei Hanser erschienen.
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