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Große Gelassenheit: Brother von Brthr

Brother von BrthrDie Stuttgarter Experten für slow Country Brthr melden sich mit ihrem vierten Album Brother zurück und expandieren ihren eigentümlichen Sound, ohne an Wiedererkennungswert einzubüßen. Nachdem der Vorgänger High Time for Loners das Duo bereits vom minimalistischen Country-Blues der ersten beiden LPs entfernte und nur bedingt überzeugende, poppige Momente einführte, wendet man sich zum Quartett angewachsen auf Brother dem geschmeidigen Soul der späten 60er und frühen 70er zu.

Als sanft, unaufdringlich und warm lässt sich die Musik von Brthr beschreiben, ohne auf Genre-Zuschreibungen zurückzugreifen. Solchen entzieht sich die Diskografie auch zusehends. Waren die ersten beiden LPs noch recht eindeutig als Country und Blues einzuordnen, muss man spätestens mit dem vierten Album Soul, Folk und Pop in die Aufzählung aufnehmen. Zwar rockt Philipp Eißler live nach wie vor den Cowboyhut mit den passenden Boots, aber führte das jüngste Konzert im Dresdner Blue Note vor, wie elastisch die Musik der Band eigentlich ist. Da treiben selbst aus den minmalistischsten Bluessongs früher Tage psychedelisch verrockte Funk- und Dub-Blüten.

Der Country-Blues lebt vor allem im Gitarrenspiel von Joscha Brettschneider weiter. Die ersten Töne, die man auf Brother allerdings vernimmt, sind gemächlich groovende Bassnoten, gefolgt von ruhig geschlagenen Congas. Man überlässt also den neu hinzugekommenen Bandmitgliedern Max Braun und Johann Polzer das erste Wort, bevor die dudelige Gitarre Joscha Brettschneiders einsetzt und Philipp Eißler von der “Heartache Street” singt. Es ist ein vollerer, texturierter Sound als auf vorherigen Alben, ohne aber die für die Band charakteristische Unaufdringlichkeit einzubüßen. Bestes Beispiel dafür ist der zweite Track “Holding on so Tight”, der mit geschmeidigen Streichern unterlegt ist und mit Bläsern melodiöse Akzente setzt, ohne jemals Opulenz zu suggerieren. Es ist ein luftiger Mid-Tempo-Song der, exemplarisch für die Band, aufruft, mit der warmen Tasse Kaffee in der Hand den Morgentau zu beobachten anstatt sich von der Hektik der Welt anstecken zu lassen.

Eine große Gelassenheit weht durch die Songs. Bestes Beispiel dafür ist mein persönlicher Favorit “Haven’t You Heard”, ein reduzierter, innehaltender Song über die Desillusionierung des Erwachsenwerdens, des Einschlafens großer Jugendträume (“Is everything said at 33?”), des Zählens der Stunden und des Aufbegehrens gegen das Hinvegetieren. Das könnte unheimlich dramatisch oder deprimierend klingen, in den Händen dieser Band klingt es eher wie ein Moment gelassener, ja aufmunternder Kontemplation – älter als 33 zu sein ist eben auch nicht ohne Vorzüge. Das folgende “Why Do You Work so Hard” ist eine ungewohnt schmissige Nummer, die direkt in die Hüften wandert und das Hamsterrad des Leistungsdrucks hinweg schüttelt.

Wenn man Brthr vielleicht etwas ankreiden will, dann dass das Songwriting manchmal zu hippiesk gerät. Aber wer will es einer derartig grundsympathischen Kombo schon verübeln? Brother ist eine wundervolle, warme Hommage an frühen Soul, die aber nie altbacken und stets zeitlos klingt. Top!

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