Nina Hellers Debüt Nachts sind alle Katzen wird von dem Paratext Softhorrorstories begleitet. Gruselig wird es aber selten, die Elemente des Horrorgenres werden wenn überhaupt nur wie eine Prise Salz in diese Texte gestreut, die sich mit einem ganz anderen Horror auseinandersetzen: Des eigenen Körpers, der Einsamkeit und Entfremdung des postmodernen Lebens. Referenziell und pfiffig erzählen diese neun Geschichten zwischen Melancholie und Komik von jungen Frauen und den Absurditäten des Alltags.
“Wie seltsam es war einen Körper zu haben”, stellt die Erzählerin in ”Es sich einfach machen” fest (96). Die Erzählung ist das Zentrum von Nachts sind alle Katzen, platziert in der Mitte des Bandes und mit über 70 Seiten die mit Abstand längste. Es ist auch die Erzählung, die dem Horror, auf den der Paratext verweist, am nächsten kommt:
Es war kurz nach dem längsten Tag, die Nächte wie angelehnte Türen und nie ganz geschlossen. Ich versuchte diesem Ich-bin-so-selbstbezogen-dass-ich-denke-ich-werde-beobachtet-Gefühl nicht länger nachzugehen, als ich mitten in der Nacht ein Gesicht hinter der Fensterscheibe sah (75)
Diese Passage ist exemplarisch für den gesamten Band: Er verrät viel über die Protagonistinnen, die allesamt sehr reflektiert sind – teilweise zu ihrem eigenen Nachteil. Sie zeigt eine gewisse Selbstironie, die diesen Texten innewohnt und welch sprachliches Talent hier am Werke ist, ebenso wie der Umstand, dass bei Nachts sind alle Katzen die Abstriche vor allem im Lektorat zu finden sind. Der wunderbare Vergleich der kurzen Sommernächte als angelehnte Türen hätte den redundanten Zusatz “und nie ganz geschlossen” nicht gebraucht (ansonsten bezieht sich diese Kritik eher auf die kleinen Schnitzer, die sich auf vielen Seiten finden).
”Es sich einfach machen” ist dem leichten Grusel des möglicherweise Beobachtetwerdens zum Trotz eher eine Slice-of-Life-Story, in der wir die Protagonistin – frisch in ihrer neuen Wohnung eingezogen -, einige Zeit durch ihr Leben begleiten. In dieser Geschichte wie in anderen auch spielt dabei die Freundschaft oder Begegnung mit anderen Frauen eine übergeordnete Rolle. Ebenfalls häufig anzutreffen: Verunsicherte Männer, an denen die Frauen das Interesse verlieren sowie entfremdete Jobs und popkulturelle Referenzpunkte.
In der Titelstory besucht die Protagonistin einen alten Freund, der frisch mit seiner Freundin in eine Eigentumswohnung gezogen ist. Hier mischt Heller eine kleine Prise Body Horror in den Text, der im Großen und Ganzen erzählt, wie man zum Gast in der eigenen Vergangenheit werden kann.
In “Elsa goes Camping” nimmt Elsa eine Auszeit, allerdings wird ihr Zelt geklaut. Sie kommt im Zelt bei einer Schülerin, die mit ihren Eltern im Urlaub ist, unter und gibt der Jüngeren ein paar Ratschläge, die möglicherweise nicht ideal sind. Auch wenn es oberflächlich betrachtet so erscheint, als seien Figuren wie Elsa oder die Erzählerin in “Es sich einfach machen” ein bisschen lost, sind sie trotz aller Melancholie selbstbewusste Frauen, die dem Leben begegnen. Vielleicht machen sie sich etwas vor, vielleicht begleiten wir sie nur einen Moment nach einem Stolperer, so verlässt man diese Geschichten nicht selten mit einer unbestimmten Zuversicht. Ein beachtenswertes Debüt.
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Nachts sind alle Katzen von Nina Heller ist im Gans Verlag erschienen.
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