So sicher wie es ist, dass die Sonne im Osten aufgeht, so beginnt der Tag des offenen Weinguts auf der Bennostraße 9¾ im improvisierten Weingarten von Frédéric Fourré. Wie beinahe jedes Jahr galten des Weges dem Himmel bange Blicke, dass Zeus des Bacchus Party nicht verregne. Doch irgendwer hatte sein Tellerchen wohl nicht aufgegessen.
Die Temperaturen waren durchaus angenehm an diesem spätsommerlichen Tag, in den sich der Herbst drängelte. Wie viele Wochen und Monate hat man sich den Regen herbeigewünscht? Aber bitte doch nicht heute! Trockenen Hauptes entstieg man unterhalb des Weinguts Hoflößnitz dem Auto, um sich der obligatorischen ersten Adresse des inzwischen traditionellen Familienausflugs zu nähern. Wie üblich empfangen den Gast auf der Bennostraße 9¾ entspannte Grooves irgendwo zwischen Soul, Reggae und Hip Hop. Als erste Bestellung des Tages darf es ein Gutedel sein, der mir im Vorjahr am besten schmeckte, aber nicht die Vorjahrsform aber nicht erreichte – dezent im Geschmack, stark in der Säure. Meine Mutter war mit ihrer Wahl einer lieblichen Scheurebe zufrieden. Und während man die ersten Geschmackseindrücke austauschte, begann ein Tröpfeln, aus dem alsbald ein Prasseln über unseren Köpfen erwuchs. Glücklicherweise blieben wir dank aufgestellter Pavillions bis auf den ein oder anderen sich verirrenden Tropfens trocken. Der Regen war stark genug, dass er das eben aus den Boxen schleichende „Tag am Meer“ der Fantastischen 4 übertünchte. Welch’ Ironie, welch‘ Gemeinheit.
Der Regenschauer hielt lang genug, um zwischenzeitlich – metaphorisch gesprochen – auf dem Trockenen zu sitzen. Es konnte einem weinerlich zumute werden. Der Blick auf den Regenradar – das zeitweise Aussetzen des mobilen Internets machte es heute extra spannend – verriet, dass das Schlimmste bald vorbei sein würde. Mit dem Schirm in der Hand flugs zum Verkaufsstand gehuscht, um eine Birnentarte und ein Glas Chimäre de Saxe bestellt, der im Vergleich zum Gutedel fast lieblich schmeckte.
Als der Regen endlich vorüber war, gingen wir weiter, um eine Runde im Weingut Aust zu drehen, wo aktuell ausgebaut wird und – wenn man eh in der Nähe ist – noch einen Abstecher zum Nachbarn Hoflößnitz zu unternehmen. Hier kamen Schlager aus den Boxen, die Stimmung blieb, wie am ganzen Nachmittag, etwas verhalten ob der grauen Wolken. Die boten aber durchaus romantische Aussichten: Im Elbtal stiegen Dunstwolken auf, die sich mit denen des tönenden Lößnitzdackels vermischten. Über uns, in den Weinbergen, hüllten sie das Spitzhaus in herbstliche Atmosphäre.
Da wir diese Ecke Radebeuls weinseitig betrachtet bereits wie unsere Westentaschen kennen, fuhren wir zum Weingut Fliegenwedel, welches sich in direkter Nachbarschaft zum Schloss Wackerbarth befindet. Man ist erstaunt, dass der Parkplatz dieser Touristenattraktion recht überschaubar gefüllt ist. Die unsichere Wettersituation hat die Weinfreunde der Umgebung vielfach zuhause bleiben lassen. Das Weingut Fliegenwedel ist im Vergleich zum Nachbarn klein: Im Rosengarten stehen ein paar Bierbank-Garnituren. Wir bestellen jeweils einen Rosé, der recht untypisch schmeckte. Er hatte ein beinah rauchiges Aroma von seinen Fässern mitgegeben bekommen. Anders, aber nicht wirklich gut. Und so tranken wir aus, um die über uns in den Hängen gelegene Weinwirtschaft am Neufriedstein aufzusuchen. Ein herrlicher, ob des Wetters nicht ganz so weitreichender Ausblick bot sich dar. Es wird Abendessen bestellt, dazu ein Glas Sonnengruß. Der gefiel durchaus. Dennoch: Während wir an einem vergangenen Tag des Weinguts lernten, dass Wein flüssiges Sonnenlicht ist, keimte in mir der Gedanke, dass Wein noch besser schmeckt, wenn sich Sonnenlicht darin bricht.
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