Allgemein,  Kritik,  Literatur

“Ich denke, also bin ich traurig”: I Hate You, Please Read Me von Joshua Dalton

I Hate You, Please Read Me von Joshua DaltonJoshua Dalton ist ein junger Autor aus Texas, der am borderline personality disorder leidet. Die psychische Erkrankung vereint diese teils autofiktionalen Texte seiner ersten Sammlung I Hate You, Please Read Me, die – der ironische Titel zeigt es an – trotz aller Melancholie wirklich witzig ist. Sie zeigt auch, dass das Internet kein “Ort” für psychische Gesundheit ist.

Joshua Dalton folgt den Spuren unabhängiger Untergrund-Autoren wie Noah Cicero und Sam Pink, die (tendenziell kurze) Taschenbücher bei kleinen Verlagen oder im Selbstverlag veröffentlichen und deren Texte aus einem existentialistischen Impuls heraus nach der conditio humana fragen. Depression schwingt dabei immer mit – kaum eine Erkrankung ist wohl mehr mit der Frage nach dem Sinn des Weitermachens verbunden. Das klingt nach hartem Tobak, ist es auch, jedoch sind die Texte von Dalton, Pink und Cicero auch dahingehend verwandt, dass sie den Schmerz mit Humor servieren. Es ist in der Regel ein selbstentwertender Humor, der, besonders im Fall von I Hate You, Please Read Me, an Internet-Memes aneglehnt ist. Einige Texte der Sammlung erinnern dann auch tatsächlich eher an einen Twitter-Feed als an das, was man traditionell unter Erzählliteratur verstehen würde.

Es ist ohnehin eine kurze wie bunte Sammlung: Sehr kurze Stories wechseln sich ab mit ironischen Skripten für Sitcoms, Chatverläufen und Tweets. Ohne Namen verschwinden die Erzähler zu einem “I”, das Tweets in die Welt sendet oder selbstironisch davon erzählt, seine Lebenssituation als arbeitsloser, bei den Eltern lebender Drehbuchautor in eine Hit-Comedy zu verwandeln. In einem der nur aus thematisch zusammenhängenden Tweet-Texte beschreibt sich der Erzähler (und somit auch das gesamte Buch) ironisch als

I’m 10% existential horror, 20% television, 30% please love me, and 40% OMG I hate myself (8).

Die gröbsten Witze gehen dabei auf eigene Kosten (“I’m a hemorrhoid on the asshole of the universe [13]), geben gleichzeitig Einblick in die Frustrationen eines Lebens mit psychischer Erkrankung. Das Meiste in I Hate You, Please Read Me findet online statt, vor allem die stets missglückten Versuche im Online-Dating. Die Versprechen des Internets lösen sich ins Gegenteil auf, es erscheint als Aufmerksamkeitsmaschine, die mehr trennt als verbindet (“feel completely disconnected despite constantly being online” [40], “it’s called a twitter ‘feed’ because we’re starving for attention“ [53]).

I Hate You, Please Read Me kann durchaus als weiteres Argument gelesen werden, dass man Twitter wirklich nicht braucht und es wahrscheinlich gesünder ist, lieber in einem Buch als in einem Feed aus Echtzeit-Rauschen zu lesen.

*

I Hate You, Please Read Me ist bei House of Vlad erschienen. Eine Übersetzung liegt noch nicht vor.

Dieser Blog ist frei von Werbung und Trackern. Wenn dir das und der Inhalt gefallen, kannst du mir hier gern einen Kaffee spendieren: Kaffee ausgeben.