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Der Putz bröckelt: Sh*tshow von Richard Russo

Sh*tshow von Richard RussoWas ist nur los in Amerika? Am Morgen nach den Wahlen laden die Pensionäre David und Ellie zwei lang befreundete Eheleute ein – “das Bedürfnis nach tröstender Gesellschaft” bringt sie dazu (7). Vor allem Ellies “Wahlabendkater” ist schlimm – eine  fundamentale Verunsicherung frisst sich in ihr Leben. Sh*tshow von Richard Russo ist eine kurze Novelle, die leichtfüßig von einem gespaltenen Amerika erzählt.

“Irgendjemand hatte Stuhlgang in unserem Whirlpool” (19): Das ist die wörtliche Shitshow, die in Richard Russos kurzem Text emblematisch steht für eine gesamtamerikanische Situation, in der nichts mehr so richtig gut läuft. Die Menschen sind verunsichert, entzweien sich. Unheilvoll über allem steht “der orangefarbene Mann” (24), der im Fernsehen Unsinn von sich gibt. David und Ellie haben – natürlich – Hillary gewählt und ihre Unterstützung mithilfe eines Schildes in ihrem Vorgarten kundgetan. Doch haben ihre guten Freunde auch für Hillary gestimmt? Bestimmt. Oder nicht? So sicher kann man sich nicht sein – “irgendwie scheint zurzeit alles irgendetwas zu bedeuten”, sagt eine zerrüttete Ellie (21).

Sie ist auch überzeugt, dass “der orangefarbene Mann” etwas damit zu tun hat, dass am Tag nach dem abendlichen Dinner mit den alten Freunden eine Kackwurst im Whirlpool schwimmt. Paranoia hat sie erfasst und sie reicht über das Politische ins Private. In Sh*tshow begegnen wir einem Amerika gefangen in Grabenkämpfen. Freundschaften reißen auf, die Nachbarn sind suspekt. Und der eigene Ehemann? Der irgendwie auch: Denn David ist zwar ebenfalls angeekelt von der Situation mit den nun regelmäßig auftauchenden Exkrementen im Garten – aber er sieht es pragmatisch, tut es ab. Ellie lässt die Sache nicht mehr los – sie will weg, das Haus, und alles darin, ist “verseucht” (57). Und: “Du bist  und bleibst ein Mann” (60), wirft Ellie David an den Kopf – mehr als ein Mal.

Richard Russo hat mit Sh*tshw eine Parabel über ein gespaltenes Land geschrieben. In etwa sechzig Seiten zeigt er eine bröckelnde Ehe in einem bröckelnden Land. Trump geistert durch diese Zeilen, seine Wahl hat Bruchstellen sichtbar gemacht. Das Verhältnis zwischen den Geschlechtern, Rassismus, Demokratie sind wie beiläufig in den Text eingeflochten, der sich aber fest an seinem Plot festhält: Wer hat diese Kackwurst ins Haus gebracht und werden die Eheleute an dieser Plage zerbrechen? Sh*tshow ist ein trauriger und urkomischer Text zugleich. Und nicht gerade subtil: Die Kackwurst und das Haus hat hier natürlich metaphorische Bedeutung für den großen Kater nach der Wahl.

Sh*tshow spürt Befindlichkeiten in einem bröckelnden Haus nach. Ob man es wieder sauber verputzt bekommt, muss die Zukunft zeigen. Als deutscher Leser kann man sich nur unsicher sein – soll man lachen oder heulen ob dieser Sh*tshow? Ohne Frage ist: Richard Russo hat einen äußerst kurzweiligen Text geschrieben wie gemacht für den Sommer vor der nächsten Wahl.

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Sh*tshow ist bei Dumont erschienen.

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