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Mit den Ohren sehen: In a Landscape von Sa Pa

In A Landscape by Sa PaWenn ich Zeilen wie diese schreibe, dann liegt mir oft Sa Pas erstes Vinyl-only Album 風物詩 im Ohr. Die japanischen Schriftzeichen lesen sich in lateinische Buchstaben übertragen Fūbutsushi, was wiederum – so zumindest die Discogs-Seite zum Album – “Die sensorischen Dinge, die Erinnerungen oder Vorfreude auf eine bestimmte Jahreszeit hervorrufen” bedeuten soll (Google Translate gibt trocken “Tradition” als Übersetzung an). Und so klingt die Musik dann auch – cineastisch, alltäglich und fremd zugleich. Zusammengesetzt wird sie zu großen Teilen aus Field Recordings, Aufnahmen aus der realen Welt, die bearbeitet und mit Sounds aus des Produzenten Zauberkiste verwoben werden. Das neue Album, In a Landscape, geht diesen Weg konsequent fort.

Das Geräusch von Regentropfen auf Blättern, zarte Klaviertupfer, sanfte Wellen, als würde man in einen Traum hinabgleiten, eröffnen In a Landscape. In welcher Art von Landschaft befindet wir uns? Auf dem folgenden Track (“Gokotto”) sind Vogelgeräusche zu hören, ein warmes Wabern im Hintergrund wie das Moosbett eines Waldes, auf das metallische Geräusche treten. Wenn wir in einem Wald stehen, dann hat er etwas urbanes, fast industrielles. Oder hören wir gar dem bunten Treiben von Kobolden im Unterholz zu, die über unsere Verwunderung wild kichern?

Erst der dritte Track (“Melody Hop”) hat einen Beat. Um einen warm blubbernden Bass wurden mit viel Hall versehene, hölzern klingende Geräusche drapiert. Ein schüchternes Saxophon bringt erdige Noten in das im Vergleich zu den Vorgängern sehr aufgeräumte, in seiner Gradlinigkeit fast hypnotisierende Stück. Es ist, als wäre man aus einem lebendigen Wald in ein Moor bei Vollmond spaziert.

Den wenigsten Tracks des Albums ist der stete Puls einer Bassdrum zu eigen. In a Landscape ist mehr Ambient als Dub Techno. Nichts davon ist wirklich tanzbar, träumbar eher. Wieder und wieder rekurriert Sa Pa dabei in späteren Stücken auf Geräusche, die wir aus vorhergehenden Titel bereits kennen, verwebt sie mit Alltagsgeräuschen, die ihrem Alltag entrissen fremd klingen, nicht mehr zuzuordnen sind.

In a Landscape ist Musik als synästhetische Erfahrung, sie malt merkwürdige Landschaften (diesen Ansatz fühlt man auch auf dem Cover – es ist in Künstler und Titel sind nur in Blindenschrift abgebildet, man liest also mit dem Tastsinn). Das mag jetzt vielleicht etwas verschwurbelt oder anstrengend klingen, ist es aber nicht.

Die Tracks wirken unstrukturiert, sind selten eingängig. So oft ich auch Sa Pas Debütalbum gehört habe – ich kann kaum eine Melodie in meinem Kopf reproduzieren, es ist eher eine Geräuschkulisse oder ganz eigene Atmosphäre, die hängengeblieben ist. Tatsächlich kann man Sa Pas Musik trotz ihrer experimentellen Natur wunderbar ausblenden. Oft höre ich sie, während ich mich eigentlich auf etwas anderes konzentrieren will (lesen, arbeiten, schreiben). Sicherlich ist es keine ideale Hintergrundbeschallung für die nächste Dinnerparty, aber das ideale Hintergrundrauschen für anderes. Was nicht unbedingt wie ein Kompliment klingt, ist die Stärke dieser Musik. Man muss nicht genau hinhören, um ihr etwas abzugewinnen. Aber man kann – und dabei vom Gehörgang Bilder malen lassen, eintauchen in einen Film, den man mit den Ohren sieht. In a Landscape ist so gesehen als eine unaufdringliche Einladung zu verstehen, die man nicht annehmen muss, um trotzdem etwas von ihr zu haben.

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In a Landscape ist bei Mana Records erschienen. Hier reinhören.