Rauchzeichen für Rio von Micha Riegel ist wie viele Debüts ein klassischer Coming of Age Roman, der uns in die 1990er Jahre entführt. Samu ist 16 und in seinem Heimatdorf im ländlichen Bayern unweit Würzburgs nicht gerade beliebt. Er ist anders, seine Homosexualität gewissermaßen ein offenes Geheimnis. Als ihn Max, der jüngste Spross des Bürgermeisters, unverhofft küsst, gerät die konservative Provinzidylle in Schieflage – und Samu muss um sein Leben fürchten. Er verlässt das Dorf in Richtung Frankfurt, wo es ihn, Schockverliebt in Lenni, aber nicht lange hält.
Dunkles Gefühl vom Ende der Jugend: Der Hirtenstern von Alan Hollinghurst
Der Brite Edward Manners kommt in einer Stadt in Flandern mit “dem dunkleren Gefühl, dass [er] das Ende der Jugend längst erreicht hatte “(12) an. Der Blick in den Spiegel enthüllt einen “bebrillten molligen Englischlehrer “ (37). Der hadernde Schriftsteller im Zentrum von Alan Hollinghursts Der Hirtenstern wird in einer flämischen Stadt als Tutor zwei Jungen unterrichten. Einer davon, der gut situierte, 17-jährige Luc, nimmt ihn mit seiner ganz eigenen Schönheit gefangen. Ein obsessives Wandern durch die unbenannte, mittelalterliche Stadt nicht unähnlich Thomas Manns Tod in Venedig nimmt seinen Lauf.
Wir Propagandisten von Gabriel Wolkenfeld
Wir Propagandisten – der Titel Gabriel Wolkenfelds erstmals 2015 veröffentlichten Debütromans, der nun neu vom Albino Verlag verlegt wird, ist eine Anspielung an die im Laufe des letzten Jahrzehnts in Russland verabschiedeten Gesetze, die es strafbar machen, affirmativ über Homosexualität zu sprechen. Wer offen schwul lebt, ist in Putins autokratischem Staat gewissermaßen ein Propagandist. Erzählt wird, basierend auf den eigenen Erfahrungen des Autors, von einem deutschen Mann, der als Fremdsprachendozent ein Jahr in Jekaterinburg lebt.
Punk, Pep, Sterni: Zwischen den Dörfern auf Hundert von Lars Werner
“Alles sauber, aber nichts in Ordnung” (44): So fasst Benny die Situation bei sich zuhause zusammen. Er lebt, wie es der Titel Lars Werners Debütroman verrät, “zwischen den Dörfern” irgendwo vor den Toren Dresdens. Weil seine Eltern bei der Anmeldung fürs Gymnasium gepatzt haben, muss er jeden Morgen ins noch weiter entfernte Großenhain zur Schule. Ein Spießroutenlauf: Denn Benny ist neuerdings ein Punk und im Bus lauern Nazis.
Individualität, Gemeinwohl: Felix von Holger Brüns
Tom ist Anfang 20 und Teil der links-alternative Szene der Studentenstadt Göttingen Mitte der 1980er Jahre. Er läuft bei Demonstrationen mit, beteiligt sich an Podiumsdiskussionen, macht seinen Zivildienst an der Uniklinik und hängt in der Disko ab. Er hegt den Wunsch, Schauspieler zu werden. Er ist Idealist, lehnt kapitalistisches Besitzdenken ab. Doch wie verhält es sich, als die Liebe von ihm Besitz ergreift? In Felix erzählt Holger Brüns von der alternativen BRD und dem schwierigen Balanceakt zwischen individueller Entfaltung und dem Wunsch, ein Teil von etwas Ganzem zu sein.