Zu Beginn von Ian Stansels Romandebüt The Last Cowboys of San Geronimo liegt Frank Van Loy tot im Dreck. Der Schuss ging direkt ins Herz. Den Abzug drückte der eigene Bruder, Silas. Es ist eine als moderner Western erzählte Kain und Abel-Geschichte, nur bringt der jüngere den älteren Bruder um.
Jill Eisenstadt – Swell [Kritik]
Diese Welle hatte eine lange Zeit gebraucht, um das Ufer zu erreichen: Nach 26 Jahren veröffentlicht die amerikanische Autorin Jill Eisenstadt ihren dritten Roman Swell. Der liest sich so schwungvoll, dass man den Eindruck bekommt, mit dem Schreiben verhält es sich wie mit dem Fahrradfahren: Wer es einmal kann, verlernt es nicht.
Das Gesicht, dein Verräter? Ausstellungsseröffnung im Hygiene-Museum
Das Deutsche Hygiene-Museum ist das vielleicht lebendigste Museum Dresdens. Schließlich ist es auch das (Zusammen-)Leben selbst, das Thema seiner Ausstellungen ist. Während in den Kunsthallen des historischen Stadtkerns geflüstert wird und Abstand zu den Exponaten geboten ist, wird hier Alltagskultur zum Erlebnis gemacht. Es muss also nicht immer das Erhabene der Hochkultur sein, wenn erhellende Momente auch im Profanen zu finden sind. Und was könnte alltäglicher sein, als das menschliche Gesicht, dem die neue Ausstellung nachspürt?
Poesie beim Palais Sommer
Der Palais Sommer auf den Grünanlagen des Japanischen Palais gehört sicherlich zu den jährlichen Highlights im August. Neben Yoga und Maleriei können Besucher des kostenlosen Festivals Konzerten, Hörpielabenden, Diskussionsrunden oder wie am Dienstag Poesie beiwohnen. Unterhaltungs- vereint mit Hochkultur in zwangloser Atmosphäre unter freiem Himmel – ein ziemlich einzigartiges Angebot, das dieses Jahr bisher leider oft ins Wasser fiel.
Einkaufslisten, wütende Textnachrichten und Romane: Ein Interview mit Jill Eisenstadt
© Beowulf Sheehan Jill Eisenstadt hat mit Swell einen der bezauberndsten Romane des Sommers veröffentlicht. Es ist ihr erster Roman seit 26 Jahren. Ende der 80er Jahre kam sie zusammen mit einer Reihe anderer junger Schriftsteller wie Bret Easton Ellis, Jay McInerney, Donna Tartt und Tama Janowitz (dem sogenannten Brat Pack) zu Ruhm. Anfang der 90er wurde es dann still um die heute 54-jährige New Yorkerin. Was sie so lange aufgehalten hat, erzählt sie im Schmiertiger-Interview.
Shackleton – Behind the Glass (with Anika) [Kritik]
Shackleton musiziert in seinem ganz eigenen Kosmos, in dem komplexe Percussions, tiefe Bässe, verzerrte Geräusche und Vocals düster-berauschende Klangwelten erschaffen. Konnte man das frühe Schaffen während der Nuller Jahre noch unter dem Genre Dubstep einordnen, haben sich seine Produktionen mit zunehmender Komplexität jeder Zuordnung zusehends entzogen. Das mit der Sängerin und Journalistin Anika entstandene Album Behind the Glass geht diesen Weg konsequent weiter.
Ein Sommer voller Kunst: Albertinum und Ostrale’17
Es gibt kein schlechtes Wetter, nur Ideenlosigkeit: Wenn sich die Regenwolken mal wieder im Tal einnisten und den Tag am nächsten Badestrand vermiesen, muss man im Sommer in Dresden kein Trübsal blasen. Es gibt allerhand zu sehen: Die Ostrale eröffnete am Freitag zum 11. Mal. Im Albertinum sorgen die Sonderausstellungen „Geniale Dilletanten“ [sic!] und „Neue Bilder“ von Gerhard Richter für Schauwerte.
Die Korrespondenz eines ambitionierten jungen Trinkers: J.D. Daniels [Kritik]
Man(n) fühlt sich nicht: Der amerikanische Schriftsteller J.D. Daniels legt in seinem Debüt sechs „Briefe“ vor: Vier davon sind autobiografische Essays, die seine Reise zu sich selbst beschreiben und dem Leser zur gleichen Zeit etwas über das moderne Leben erzählen. Der Weg führt ihn in einen Kampfsportclub, in die alte Heimat Kentucky, zu einer Selbsthilfegruppe und über das Mittelmeer.
Shinichi Atobe – From The Heart, It’s A Start, A Work Of Art [Kritik]
Die Aura des Geheimnisvollen hält die Aufmerksamkeit der Menschen immer noch am besten: Der japanische Produzent Shinichi Atobe veröffentlichte 2001 eine einzelne EP und verschwand danach volle 13 Jahre im Nichts. Die Szene hat das Interesse aber nie verloren. Das jetzt erschienene, aus Archivmaterial zusammengestellte Album ist trotz leicht verstaubter Klangqualität die vielleicht frischeste Veröffentlichung des Sommers.
Maus [Prosa]
Der Satz, dass sich ein Mensch zellulär alle sieben Jahre erneuert, nagt an mir, als ich mein Smartphone in die Hosentasche gleiten lasse und auf die Klingel drücke. Wir kennen uns länger als das.
Bienes langes, meist offenes, einst rotes, jetzt aschblondes Haar ist zu einem Dutt gesteckt. Das ist sogar besser so. Man sieht jetzt ihren Hals, der sonst unter den breit gefächerten, dicken Haaren versteckt ist und unter dem Eindruck des klugen Kopfes und der großen Nase verschwindet.