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    Das komatöse Land: Der ehemalige Sohn von Sasha Filipenko

    Der ehemalige SohnWir schreiben das Jahr 1999: Zisk ist ein ganz normaler Jugendlicher, der weniger Lust hat, Cello fürs Konservatorium zu lernen als mit seinen Freunden Fußball zu spielen und zu Konzerten zu gehen. Aber er wächst in einem nicht ganz normalen Land auf. Sasha Filipenkos Roman Der ehemalige Sohn nimmt uns mit in die belarussische Hauptstadt Minsk und zeichnet ein graues Bild eines totalitären Staates, in dem sich wenig bewegt. Man kann sogar zehn Jahre ins Koma fallen, ohne etwas zu verpassen.

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    Das letzte Hurra der Beats: Little Boy von Lawrence Ferlinghetti

    Little Boy von Lawrence FerlinghettiLawrence Ferlinghetti starb im Februar im Alter von 101 Jahren als letzter Vertreter der Beat Generation. Wenngleich er zumindest hierzulande nie die Bekanntheit von Ginsberg, Kerouac und Burroughs erreichte, ist er einer ihrer wichtigsten Figuren. Schließlich war der von ihm gegründete Buchladen City Lights Bookstore in San Francisco der Sammelpunkt der literarischen Avantgarde der 1950er Jahre. Der angeschlossene Verlag war es auch, der Ginsbergs legendäres Gedicht Howl verlegte. Ferlinghetti war selbst Dichter, sein zweiter Band A Coney Island of the Mind gilt als meistverkaufter Lyrikband aller Zeiten. Little Boy ist sein letztes Werk, ein autobiografischer Roman, der diese Bezeichnung aber schon nach wenigen Seiten sprengt.

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    Das Wahre, Männliche und Schmerzhafte des Alltags: Die Lyrik von Tony Hoagland

    Tony HoaglandWahrscheinlich war ich auf dem Weg vom Belmont Campus zur The Villager Tavern in Nashville, als ich an einem geschlossenen Buchladen anhielt, um durch ein paar Bücher zu stöbern, die in einem Karton zum Mitnehmen rumlagen. Dort fand ich den schmalen Hardcover Einband von Donkey Gospel (1998) des mir bis dahin unbekannten und bis heute unübersetzten amerikanischen Lyrikers Tony Hoagland. Wirklich darin gelesen habe ich erst nach meiner Rückkehr. Die erzählerische, konfessionelle Lyrik, tief im amerikanischen Alltag verwurzelt und oftmals komisch, stößt den Leser immer mal wieder in die banalen Abgründe dessen, was man Menschsein nennen könnte. Als Tony Hoagland am 23. Oktober 2018 verstarb, bekam ich es nicht mit. In Deutschland nahm auch sonst niemand Notiz.

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    “Ich denke, also bin ich traurig”: I Hate You, Please Read Me von Joshua Dalton

    I Hate You, Please Read Me von Joshua DaltonJoshua Dalton ist ein junger Autor aus Texas, der am borderline personality disorder leidet. Die psychische Erkrankung vereint diese teils autofiktionalen Texte seiner ersten Sammlung I Hate You, Please Read Me, die – der ironische Titel zeigt es an – trotz aller Melancholie wirklich witzig ist. Sie zeigt auch, dass das Internet kein “Ort” für psychische Gesundheit ist.

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    Entzaubert sein, klarkommen: Memorial von Bryan Washington

    Bryan Washingtons Debütroman MemorialBryan Washingtons Debütroman Memorial (deutsch: Dinge, an die wir nicht glauben) löst das große Versprechen seines Erzählbands Lot ein und macht noch einen großen Schritt nach vorn. Lakonisch, vulgär und unheimlich intim erzählt Washington von Benson und Mike, deren Beziehung nach vier Jahren ihrem Endpunkt zuzulaufen scheint sowie den chaotischen, längst zerfallenen Familien der beiden Männer. Berührend, komisch, vielschichtig – Memorial ist ein Triumph.

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    Ein Sommer für die Ewigkeit: Hard Land von Benedict Wells

    Ein Sommer für die Ewigkeit: Hard Land von Benedict WellsGrady, Missori, 1985: Der 15-jährige Sam hat es nicht leicht. Er hat keine Freunde und seine engste Verbündete ist sterbenskrank. Benedict Wells neuer Roman Hard Land ist eine Ode an die Jugend und eine Hommage and die Texte, die sich ihrer widmen. Ein schöner Text über einen aufregenden Sommer, über den Aufbruch eines Jungen, der sich aufmacht, ein Mann zu werden.

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    Berlin im Rausch: Die Linie zwischen Tag und Nacht von Roland Schimmelpfennig

    Die Linie zwischen Tag und Nacht von Roland Schimmelpfennig“Alle waren hellwach und gleichzeitig todmüde”: Tommy feiert zusammen mit ein paar Partybekanntschaften am 1. Mai in Berlin. Man ist ausgelassen, seit Tagen unterwegs, voller Drogen. Da sieht er im Landwehrkanal eine junge Frau in einem Hochzeitskleid treiben. Sie ist tot. Roland Schimmelpfennigs Die Linie zwischen Tag und Nacht nimmt den Leser mit in den Berliner Partyuntergrund, zu Rausch und Ruin, Ravern und Dealern.

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    Der Fuchs der hat das Herz gestohlen: Restlöcher von Lena Müller

    Restlöcher von Lena MüllerIrgendwie denkt man bei einem Titel wie Restlöcher doch zwangsläufig an vom Kohleabbau gerissene Furchen, offene Wunden in der Landschaft. Man denkt an strukturschwache Regionen, an Wandel. Doch Lena Müllers Debütroman bricht diese Erwartungen, die Löcher sind eher in den Menschen zu finden, die sie beschreibt: Es ist eine Erzählung über sehnende Menschen und die Widersprüchlichkeiten, die in ihnen wohnen.

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    Ein Mönch schmollt: Aus der Mitte des Sees von Moritz Heger

    Aus der Mitte des Sees von Moritz HegerWie endgültig und zwingend sind die Lebensentscheidungen, die wir treffen? Es scheint jedenfalls nichts entschlossener und endgültiger, als sich in jungen Jahren für ein Leben als Mönch in einer Benediktinerabtei zu entscheiden. So haben es jedoch Lukas und sein bester Freund Andreas entschlossen, bis letzterer nach sechzehn Jahren dann doch etwas anderes wollte. Und so ist Aus der Mitte des Sees von Moritz Heger der Bericht eines gekränkten Mönchs, der durch Andreas’ Weggang nun selbst ins Zaudern kommt.